: Irisches Dorf kämpft gegen Shell
Der Energiemulti will eine Raffinerie im Nordwesten Irlands errichten – obwohl Experten vor Umweltschäden warnen. Gegner lassen sich durch Haftstrafen nicht abschrecken
DUBLIN taz ■ Ins Gefängnis müssen sie nicht. Ein irisches Gericht entschied am Freitagnachmittag, keine Haftstrafe gegen die fünf Bauern und Rentner zu verhängen, die seit einem Jahr gegen den Shell-Konzern kämpfen. Denn die fünf haben schon letztes Jahr im Gefängnis gesessen; nur die Gerichtskosten müssen sie diesmal tragen.
Shell will in Mayo, im irischen Nordwesten, eine unterirdische Hochdruckleitung von einem Gasfeld im Atlantik zu einer Raffinerie an Land legen, die 800 Millionen Euro kostet. Es wäre die größte Raffinerie dieser Art in Europa. Die Gasleitung soll bei dem abgelegenen Örtchen Rossport über die Grundstücke der fünf Männer verlaufen, keine 70 Meter von ihren Häusern entfernt. Deshalb verweigerten Willie Corduff, Micheál Ó Seighin, James Philbin und die Brüder Philip und Vincent McGrath dem Ölkonzern den Zugang zu ihrem Land.
Die Regierung hat das Projekt Corrib Gas jedoch abgesegnet; ein Gericht ordnete den Zwangsverkauf der betreffenden Grundstücke an. Als die „Rossport Five“ trotzdem stur blieben, wurden sie letztes Jahr in Beugehaft genommen. Eigentlich auf unbestimmte Zeit.
Der Imageschaden für Shell war jedoch immens. Während die Männer einsaßen, blockierte eine täglich wachsende Menschenmenge den Bauplatz, vor Shell-Tankstellen fanden Demonstrationen statt, ein Boykottaufruf zeigte Wirkung. Schließlich zog der Konzern seine Klage zurück, nach 93 Tagen kamen die fünf im Oktober wieder frei. Owens Wiwa, der Bruder des ermordeten nigerianischen Anti-Shell-Aktivisten Ken Saro-Wiwa, war extra angereist: „Der Mut der fünf Männer ist eine Inspiration für das Volk der Ogoni, dessen Umwelt durch Shell zerstört worden ist.“
Nach ihrer Freilassung nahmen die „Rossport Five“ ihren Protest sofort wieder auf, was ihnen am letzten Freitag dann die zweite Gerichtsverhandlung eintrug. Ihr Argument: Die Leitung sei gemeingefährlich, weil sie durch ein instabiles Moor führen soll. Die fünf Männer sind nicht gegen die Raffinerie, aber sie solle auf einer Plattform vor der Küste gebaut werden. Das wäre üblich und umweltverträglicher.
Eine Raffinerie an Land setzt Radon, Blei, Nickel, Quecksilber, Schwefeldioxid und Feinstaub frei. Eine unabhängige Untersuchung hat ergeben, dass bei den Vorbereitungsarbeiten zahlreiche Schadstoffe über die Flüsse Bellanaboy und Glenaboy in den Carrowmore-See gelangt sind, das größte Trinkwasserreservoir der Gegend.
Eine Plattform im Meer wäre jedoch teurer. Die irische Regierung hat multinationale Konzerne aber noch nie mit irgendwelchen Umweltauflagen belästigt. Die Unternehmen wurden mit niedrigen Steuersätzen, oft auch mit schlüsselfertigen Fabriken und laschen Umweltgesetzen auf die Grüne Insel gelockt. Das hat Irland einen Wirtschaftsboom beschert, der das Land zum zweitreichsten, aber auch zu einem der größten Umweltverschmutzer in der Europäischen Union gemacht hat. In einer EU-Umweltstudie landete Irland kürzlich auf dem letzten von 32 Plätzen, vor allem was Klimagase betrifft. Die Shell-Raffinerie in Mayo würde so viel Kohlendioxid ausstoßen wie 10.000 Autos.
Das unabhängige „Zentrum für öffentliche Untersuchungen“ warnt, dass die Gasleitung platzen könnte. Wegen der „inakzeptablen Nähe zu den Wohnhäusern“ müsse man mit einer „hohen Zahl von Todesopfern“ rechnen, zumal die Infrastruktur in Mayo stark unterentwickelt sei. Die nächste Feuerwehr ist 18 Kilometer entfernt.
Shell und die Regierung wollen das Projekt dennoch durchsetzen. Der Konzern hat sämtliche Hotelbetten in der Umgebung für die Arbeiter einer italienischen Baufirma gebucht. Aber auch die Gegner sind gut vorbereitet. Eine breite Kampagne ist entstanden, die sich „Shell to Sea“ nennt und in Rossport ein Zeltlager aufgeschlagen hat, um die Bauarbeiten zu verhindern. RALF SOTSCHECK
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