: „Ein roter Teppich für Nervenkranke“
DUB ROCK Der Musiker Jacques Palminger ist zurzeit auf Tour mit seinen Kings of Dub Rock. Für die taz interviewte er sich selbst und erklärte, was bei seinen Konzerten denn so abgeht
INTERVIEW JACQUES PALMINGER
?Palminger: Jacques, mit Ihren Kings of Dub Rock spielen Sie Dub Rock, was stellen Sie sich darunter vor?
Jacques Palminger: Dub Rock ist wie Beton: Es kommt darauf an, was man daraus macht. Für unsere Freunde machen wir daraus musikalische Erlebniswelten und tanzbare Wohlfühllandschaften. Wir machen daraus aber auch Schwimmringe für Nervensägen. Für die Familie Sarotti zum Beispiel würde ich gern persönlich das Wasser einlassen. Dann könnten die sich in aller Ruhe überlegen, was es heißt, Beleidigungen selbst auszubaden.
Was bedeutet „Dub-Rock-Leistungsschau“?
Wir haben in neue Instrumente investiert. Markengeräte der internationalen Spitzenklasse bringen die musikalische Performance auf Topniveau. So hat Viktor Marek es geschafft, die Basslast zu verdoppeln. Jetzt können wir uns noch tiefer in die Seelen der Zuhörer einschrauben und noch intensiver auf unser Publikum einwirken.
Gibt es keine wackelige Stellen, Unsicherheiten, Fehler?
Wir haben die Idee des Fehlers aus der ganzen Idee der KODR herausgenommen. So können wir vollkommen angstfrei Musik machen. Notierte musikalische Verabredungen wechseln sich ab mit frei improvisierten Passagen, die Übergänge sind fließend. Diese hochenergetische Mischung aus Präzision und Spielerei, Konzentration und Zerstreuung findet man sonst nur noch in der Zirkuskuppel oder im Affenhaus.
Wie hoch ist denn der Spaßfaktor?
Wer Musik nur zum Spaß macht, wird jung sterben. Das sagt Fela Kuti, und das sagen auch die KODR. Unser Ansatz ist ein anderer: Arbeitszeit ist Leistungszeit. Der Besuch eines Dub-Rock-Konzerts ist wie eine Unterschrift unter einen Kettenbrief: Absolut verbindlich. Trotzdem gibt es natürlich witzige Stellen und lustige Gags.
Wer kommt zum Konzert?
Ein Dub-Rock-Konzert ein roter Teppich für nervenkranke, psychisch labile Menschen. Manchmal kann unsere Musik helfen, manchmal beschleunigt sie den Krankheitsverlauf, und es geht noch während des Konzertes rapide bergab. Aber es kommen auch viele Handwerker, Expunks und Normalos aller Couleur. Für die Älteren ist dieser Abend ein Jungbrunnen, für die jüngeren Fans eine Sause mit großem Lerneffekt.
Was kann man lernen?
Es gibt gute Titel mit philosophischem Mehrwert wie „Uhren befummeln die Zeit“ und starke Kernsätze, an denen man noch lange zu knacken hat. „Besen stehen auf ihren eigenen Haaren“, zum Beispiel. Solche Formulierungen kann man sich dann aneignen und benutzen. Das ist sogar ausdrücklich erwünscht.
Gibt es eine sexuelle Komponente?
Allein das Bandgefüge wirkt anregend. Da ist Platz für Spekulation, die Fantasie lässt ihre Hüften kreisen: Eine Frau und zwei Männer! Haben sie schon? Sind sie vielleicht? Dazu der fleischige Bass, die stotternden Rhythmen, die enervierenden Melodien, das alles ergibt eine Stimulans von erstaunlich hoher Wirkungsqualität.
Gibt es Ausschreitungen bei den Konzerten?
Ein Dub-Rock-Konzert ist ein klassischer Gruppenversuch. Genau wie unsere Gäste sind wir rauschbegabt und druckerprobt. Wir arbeiten mit harten Mischungen, Gin Tonic und Rum-Cola. So geben wir dem Affen Zucker, so provozieren wir eine maximale Entäußerung. Die zeitliche Begrenzung aber lässt die Veranstaltung nie ganz aus dem Rahmen laufen. Peinliche Ausfälle, die die gesellschaftliche Integrität aufs Spiel setzen, gibt es selten. (Nickerchen im Nassbereich, Einkoten der Tanzfläche)
Ist ein Dub-Rock-Konzert gefährlich?
Nein. Wir sind eine glückliche Band, wir beseelen den Raum, die Menschen. Obwohl wir kicken wie Bruce Lee, tun wir niemandem weh. Natürlich wünschen wir unseren Feinden Pech, Unglück und Tod. Da sind wir ganz normal. Grundsätzlich aber gehen wir Ärger aus dem Weg und stehen hinter den Weissagungen unseres Mentors Dillinger: Peace, Love and Unity is the Foundation of any Community.
■ 22. April, 20 Uhr, Festsaal Kreuzberg, Skalitzer Straße 130
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