: Das Café Kranzler ruhe in Frieden!
Jan Feddersens Gastro- und Gesellschaftskritik: Das Caras ist keine von vielen Kaffee-Imbissketten: Service gut, Lebensmittel gut, Getränke exzellent
Vor Jahren, niemand kann mehr genau sagen wann, gab es großes westberlinisches Geschrei, weil das Café Kranzler geschlossen werden sollte. Von der üblichen Frontstadtkulturkritik („Abriss einer Institution“) bis zu Einwänden gegen die Entwertung des bürgerlichen Westens und der Kommerzialisierung überhaupt, war am Geblök alles dabei. Nun, jenes Etablissement lebt nicht mehr – und nicht einmal Phantomschmerz wird öffentlich zum Vortrag gebracht.
Kein Wunder, an seiner Statt ist das Caras präsent, eine Filiale, andere residieren am Kurfürstendamm kurz vor der Uhlandstraße, eine dritte am Hackeschen Markt, eine Gourmetausgabe schließlich im Haus Hardenberg, wie die ersten zwei im zoonahen Westen. Dieses Kaffeehaus besticht zunächst, was seine inneren Werte anbetrifft, also die Getränke, durch exzellente Qualität. Die Latte hat festen Milchschaum, der Kaffee, offenbar fein geröstet, gute Stärke. Im Gegensatz zu anderen Ketten wirkt dieses Haus gediegen, akzeptabel noch für die kranzlergeeichte Kundschaft, aber weniger universitär: wenig Zottelfrisuren, nur wenige Rucksäcke versperren Laufwege. Kleinere Speisen gibt es ebenfalls, Wraps wie Milchreisportionen mit Kirschcouvertüre – eben das Mindestfutter, um bis zum Abendessen durchzuhalten.
Was für das Caras einnimmt, ist außerdem eine Bedienungsmannschaft, die so unaufgeregt (keine Animationsstimmung) wie präzise zuhört und das liefert, was auch gewünscht wird. Vor sieben Jahre wurde die Kette gegründet; sie ist weniger prominent als das Balzac, kein Vergleich mit Starbuck’s und genießt auch nicht den Leumund des Einstein. Aber es hält sich: Und das spricht für die Idee, mit guten Lebensmitteln die Konkurrenz zu bestehen.
Gebacken wird übrigens laut Website selbst – was nichts heißen muss, denn Heißluft hat ja heutzutage jedeR zum Aufbacken. Aber die Küchlein schmecken wie beim Bäcker, der noch einen echten Ofen hat. Darauf kommt’s an, die Kulturkritik darf durchatmen.
Im Gegensatz zum Starbuck’s gibt es eine Raucherecke. Die Sitzplätze sind bequem, ohne zum Einschlafen zu motivieren. An den Tischchen lässt sich perfekt Streitpatience spielen. Und, noch ein Kranzlerrelikt, draußen, genau am Ku’damm, wo alles vorbeidefiliert, was vom Zoo kommend Berlin zu testen beginnt, gibt es sommers eine Menge Tische und Stühle: Man guckt und sortiert und scannt und versinkt. Schöner Platz, das!
CARAS, Kurfürstendamm 36, U-Bahn Kurfürstendamm, Mo. bis Fr. 7.30 bis 21 Uhr, Sa. ab 8.30 Uhr, So. 9.30 bis 20 Uhr; Kaffee & andere Getränke ab 2 Euro, in den frühen Abendstunden außer sonntags alkoholische Getränke ab 5 Euro. Infos www.caras.de
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen