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Du Liebe, du Arschloch

KULTURETAT Die Koalition der Freien Spielstätten und Künstler Berlins hat einen Monat lang in einer Kampagne gezielt auf sich aufmerksam gemacht. Und hat dabei schon mal einen gewissen Erfolg erzielt

Die freien Künstler wollen mehr sein als Image-Clowns

VON ANDREAS HARTMANN

Auf einer kleinen Bühne vor dem Neptunbrunnen in Mitte, in unmittelbarer Nähe zum Roten Rathaus, steht einer, der seiner elektrischen Gitarre einen feinen Krach entlockt. Die Gitarre jault und kreischt, das ist herbe Protestmusik und so ähnlich wie einst bei Jimi Hendrix, der seine elektrische beim Spielen der amerikanischen Nationalhymne quälte, um gegen den Vietnamkrieg zu protestieren.

Bei der Performance auf dem öffentlichen Platz geht es nun nicht um Menschenleben, sondern nur um Geld, aber eine gewisse Wut soll schon auch transportiert werden. Die Koalition der Freien Szene, ein die künstlerischen Sparten übergreifender Verbund freier Spielstätten und Künstler, hat zur Abschlusskundgebung einer gut einmonatigen Kampagne geladen, mit der in den letzten Wochen versucht wurde, die eigenen Anliegen in die Öffentlichkeit zu tragen. Mehrere Spielstätten in Berlin hatten sich daran beteiligt, unter anderem dadurch, dass auf ihren Homepages in roten Buchstaben zu lesen war: „Wir fordern die sofortige Stärkung der Freien Szene Berlin!“ Medial wurde die Kampagne recht eifrig begleitet, und man kann durchaus sagen, dass sie ein kleiner Erfolg war. Bei einer Sitzung des Kulturausschusses vor zwei Wochen wurde der Freien Szene versprochen, sie mit ein paar Millionen Euro mehr aus dem Kulturetat zu berücksichtigen. Ohne den Druck der Künstler hätte sich Klaus Wowereit, der bislang gegenüber den Forderungen der Freien Szene konsequent ignorant agierte, wohl kaum zu diesem Zugeständnis bereit erklärt.

Die Koalition der Freien Szene will jedoch mehr. mehr Geld, ja das auch. Sie hat einen 10-Punkte-Plan erstellt mit Forderungen, dessen Umsetzung 18,8 Millionen Euro kosten würde. Finanziert bekommen würde sie diesen gern aus Einnahmen der geplanten City Tax. Ja, hieß es in dem Kulturausschuss, Teile der City Tax würden auch in die Kultur fließen. Doch festlegen darauf, wie viel Geld genau der Freien Szene zukommen würde, wollte man sich dann doch nicht.

Die Koalition der Freien Szene will aber nicht nur um ein paar Euro feilschen, sie verlangt ganz prinzipiell einen anderen Umgang mit ihr. Sie will, dass die Nöte von oftmals in prekären Verhältnissen lebenden freischaffenden Künstlern ernst genommen werden. Die freien Künstler wollen mehr sein als Image-Clowns für das Berlin-Marketing. Und sie wollen darauf aufmerksam machen, dass sie eine bedrohte Art sind. Deswegen steht auf der Bühne in bunten Buchstaben: „Vielfalt belassen.“

Man hat sich bei der Abschlusskundgebung für eine Mischung aus Spaß und Ernst entschieden. Es gibt Musik und Performances, aber auch Redebeiträge wie bei einer richtigen Demo. Und es gibt so etwas wie interaktive Protestaktionen. Man kann beispielsweise die Grundrisse verschiedener Spielstätten in Berlin mit Lego neu nachbauen und sozusagen eine postkulturelle Stadt gestalten, ganz nach neoliberalen Gesichtspunkten. „Entwickeln Sie ein Modell, wie ehemalige Theaterräume gewinnmaximierend anders genutzt werden können“, lautet einer der verteilten Bauaufträge. Man kann dann erwachsene Menschen dabei beobachten, wie sie mit ironischem Ernst das Haus mit Legosteinen neu aufbauen mit einer Treppe, die ins Nirgendwo führt, und einem Turm, in dem vielleicht das Loft des Investors untergebracht sein soll. Derartige Quatschbauten sind in Berlin ja gar nicht mal so unrealistisch, wenn man bedenkt, dass man von dort, wo wir gerade stehen, die Baustelle gesehen werden kann, auf der doch tatsächlich gerade ein Schloss gebaut wird.

Richtig viel los ist bei der ganzen Veranstaltung nicht. Die meisten Passanten schauen interessiert vorbei, sehen, dass hier seltsame Dinge geschehen, und gehen dann meist schnell wieder weiter. Aber wer sich auf das Treiben einlässt, wird gut unterhalten. Die Performance-Gruppe Gob Squad zeigt einen Film, und die Sängerin Bernadette La Hengst hat einen kleinen Gospelchor mitgebracht, der Songs performt, die sich inhaltlich mit der ewigen Frage beschäftigen, wo beim Künstler, der vielleicht täglich zwei Stunden aus dem Fenster starren muss, um inspiriert zu werden, Arbeit beginnt und ob er nicht sozusagen auch schon für das aus dem Fensterstarren entlohnt gehört. „Arbeit – du Liebe, Arbeit – du Arschloch“ hört man dann in diesen Songs. Zwei Lieder gibt es von dem Chor. Mehr wäre problematisch geworden. Denn auch allein diese zwei Stücke einzustudieren hat bestimmt wieder einige Arbeit gemacht. Für die man natürlich mal wieder nicht bezahlt wurde.

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