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Nicht mehr zu überhören

IRANISCHE MUSIK Das Festival „New Sounds of Iran“ präsentiert drei Tage lang eine agile und ungemein kreative junge Szene

Auf ganz unterschiedliche Weise stehen die Künstler zugleich für eine Rückbesinnung und die Öffnung für westliche Stile

VON ROBERT MATTHIES

„Wir können die Hände einfach nicht von unserer Musik lassen. Die Folge wird sein, dass wir einfach zu Hause aufnehmen, wenn sie unser Studio blockieren.“ Alles andere als leicht ist das Leben der jungen Musiker in der iranischen Hauptstadt Teheran, das die Filmemacher Amir Hamz und Mark Lazarz 2006 in ihrem Film „Sounds of Silence“ eindrucksvoll dokumentiert haben. „Und auch wenn sie unsere Websites verbieten, werden wir eine Lösung finden. Wir werden immer einen Weg finden.“

Zu kämpfen hat die immer rasanter sich entwickelnde iranische Untergrund-Szene – zunehmend ein Gegenpol zur staatlich genehmigten „neuen Pop-Musik“ – vor allem mit der rigiden Zensur durch Ershad, das Ministerium für Kultur und islamische Führung.

Seit der islamischen Revolution 1979 wacht die Zensurbehörde darüber, dass alle kulturellen Äußerungen im Einklang mit „islamischen Kriterien“ stehen. Unmöglich ist es für junge Musiker, ein offizielles Konzert zu spielen oder ein Album zu veröffentlichen, ohne als „mujawwiz“ anerkannt zu sein. Das kann sehr lange dauern, und erlangen kann diesen Status ohnehin nur, wer auf „unangemessene“ Texte und einen „unangemessenen Sinn für Stil“ verzichtet, auf weibliche Solo-Stimmen, rasierte Köpfe, exzessive Bühnenperformances und – elektrische Gitarren.

Dabei ist es gerade die neue Generation iranischer Musiker, die sich nicht länger nur an „westlicher“ Musik orientiert – anders als noch in den 1990er-Jahren: Damals dominierte Import-Popmusik vor allem aus „Tehrangeles“, also der einflussreichen Community iranischer Emigranten im Großraum Los Angeles. Im Versuch, eine eigene Musiksprache zu finden, experimentiert man inzwischen ebenso mit Rock-, Rap- oder Elektronik-Versatzstücken wie mit traditionellen iranischen Instrumenten oder der lange zurückreichenden alten Poesie der Sufis.

Und lässt sich dabei nicht entmutigen: Ihre Musik veröffentlichen die jungen Musiker im Internet, ihre Konzerte spielen sie im Geheimen, immer lauter wird der Ruf nach einer kulturellen Öffnung. Gleichwohl zieht es viele Protagonisten nach ein paar Jahren immer noch ins künstlerische Exil, nach Europa oder in die Vereinigten Staaten, wo sie bessere Bedingungen vorfinden.

In drei Doppelkonzerten stellt das vom Verein „Diwan – Deutsch-iranische Begegnungen“ initiierte und von der Kölner Philharmonie und der Elbphilharmonie gemeinsam veranstaltete Festival „New Sounds of Iran“ nun sechs Künstler vor, die alle auf eine ganz unterschiedliche Weise für die Rückbesinnung auf Traditionen und die Öffnung für westliche Stilelemente stehen.

Nicht fehlen darf da der überwiegend in Berlin lebende Tombak-Trommler Mohammad Reza Mortazavi. Geboren im iranischen Isfahan, hat Mortazavi bereits als Zehnjähriger den jährlichen iranischen Tombak-Wettbewerb gewonnen und gilt heute nicht nur als deren schnellster, sondern auch als innovativster Spieler. Über 30 Schlagtechniken hat er für das traditionelle Instrument entwickelt.

Paradigmatisch für den Versuch, traditionelle iranische Musik in die Gegenwart zu überführen, steht das Londoner Sextett Ajam mit seiner unbedingt tanzbaren Mischung aus orientalischen Instrumenten wie der Ney-Flöte oder der Dotar-Laute, rohen Rhythmen persischer Volksmusik und aggressivem Hip-Hop.

Eine ganz eigenwillige Fusion von traditionellen Melodien und Stilen mit westlicher Rhythmik und Jazz-Elementen gibt es auch von Saeid Shanbehzadeh und seinem Ensemble zu hören. Denn schon in dessen Heimatstadt Buschehr am Persischen Golf treffen seit Jahrhunderten persische, arabische, afrikanische und indische Einflüsse aufeinander.

■ Fr, 11. 10. bis So, 13. 10., Mojo Club

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