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Radfahrer werden abgedrängt

Die Invalidenstraße soll künftig nicht nur die Tram zum Hauptbahnhof führen, sondern weiterhin auch Autos. An der Chausseestraße wird es eng. Senat: Fahrräder bekommen keine eigene Spur

von LEO LÖLHÖFFEL und UWE RADA

Für Radfahrer könnte die Invalidenstraße in Mitte bald zur Invalidentrasse werden. Wenn sich ab 2009 auf der Ost-West-Verbindung zwischen dem neuen Hauptbahnhof und der Bernauer Straße Autos und Straßenbahnen drängeln, wird kein Platz für eine eigenständige Fahrradspur sein. Dies geht aus einer so genannten Variantenuntersuchung hervor, die Stadtentwicklungssenatorin Ingeborg Junge-Reyer (SPD) gestern vorgestellt hat.

Die Untersuchung war nötig geworden, nachdem Junge-Reyer 2004 das bisherige Planfeststellungsverfahren zur Invalidenstraße gekippt hatte. Da es keine ausreichende Prüfung von alternativen Trassenführungen gegeben hatte, war die Befürchtung in ihrer Verwaltung groß, dass Anwohner und Gewerbetreibende den Ausbau der Invalidenstraße zum zentralen Zubringer für den Hauptbahnhof aus Richtung Osten zum Kippen bringen könnten.

Mit der daraufhin eingeleiteten Variantenuntersuchung soll nun ein neues Planfeststellungsverfahren vorbereitet werden. „Geprüft wurden allerdings nur Trassenvarianten für den Autoverkehr“, sagte Junge-Reyer gestern. Dass die Straßenbahn in der Verlängerung der Bernauer Straße und des Nordbahnhofs direkt über die Invalidenstraße rollen sollte, stand von vorneherein fest.

Diese Vorentscheidung hielt Junge-Reyers Verkehrsplaner aber auch im neuen Verfahren nicht davon ab, auch den Autoverkehr ab 2009 über die Invalidenstraße zu schicken. Sowohl eine nördliche Umfahrung über die Habersaathstraße als auch eine südliche über die Torstraße hielten der Überprüfung nicht stand. Gleichwohl räumte Junge-Reyer ein: „Eine optimale Trasse gibt es nicht.“

Denn östlich und westlich der Chausseestraße wird es eng. Dort ist die Invalidenstraße nicht breiter als 18 Meter. Ein solcher Straßenquerschnitt reicht nicht aus, um zwei Fahrbahnen pro Richtung – wobei sich eine Fahrbahn Autos und Tram teilen –, einen Gehweg sowie eine eigenständige Radspur mit einer Breite von 1,50 Meter unterzubringen. Nach Vorstellung der Senatorin sollen deshalb die Radfahrer an dieser Stelle die Pkw-Spur mit nutzen.

Die von Anwohnern gegründete „Bürgerinitiative Invalidenstraße“ hält das für zu gefährlich – und präsentiert eine andere Lösung. „Wenn wir an dieser Stelle auf eine gemeinsame Spur für Autos und Tram verzichten, der Straßenbahn eine eigene, schmalere Spur geben, haben wir noch Platz für eine eigenständige Radspur“, sagte Matthew Griffin, der für die Bürgerinitiative die Pläne gezeichnet hat. Griffin betonte darüber hinaus, dass eine reine Straßenbahntrasse auch für Rettungsfahrzeuge der Charité und des Bundeswehrkrankenhauses zur Verfügung stehen würde. „Wenn da aber Autos auf der Spur stehen, ist da kein Durchkommen“, so Griffin.

Ganz anders sind die Prioritäten von Ingeborg Junge-Reyer. Die Verkehrssenatorin setzt auch im Bereich des Nadelöhrs auf eine Auto- und eine Auto-Tram-Spur. „Die Radfahrer müssen an dieser Stelle auf der Autospur fahren“, bedauerte sie. Eventuelle Klagen der Anwohner fürchtet sie nicht. „Das wird keinen Erfolg haben.“

Mit dem Planfeststellungsverfahren für die neue Trasse soll Ende 2006 begonnen werden, 2009 soll die neue Trasse fertig sein. Von den 25 Millionen Euro, die das Vorhaben insgesamt kostet, hat der Straßenbahnbau mit 20 Millionen Euro den größten Anteil.

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