: Ein Übermaß an langen Noten
OPERNGESCHICHTE Verdi traf im Märkischen Museum auf Widersacher Wagner
Sie sind sich im wirklichen Leben nie begegnet. Die großen Opern-Geburtstagskinder des Jahres, Giuseppe Verdi und Richard Wagner, beide Jahrgang 1813, waren zugleich große Kontrahenten. Stand Wagner für Revolution und Zukunftsmusik, galt Verdi lange Zeit als populistischer Traditionalist.
Besonders in Deutschland hatte es Verdi zu Lebzeiten schwer. Wie man bei der Veranstaltung „ ‚Ach wie so trügerisch …‘ Richard Wagner trifft Giuseppe Verdi“ im Märkischen Museum am Donnerstag erfahren konnte, stellte etwa der deutsche Komponist Otto Nicolai seinem italienischen Kollegen ein wenig schmeichelhaftes Zeugnis aus: „Seine Opern aber sind wahrhaft scheußlich und bringen Italien völlig ganz herunter.“
Von Wagner, gegen den sich Verdi mitunter auch in Italien zu behaupten hatte, habe es nie ein Urteil über Verdi gegeben, so Referentin Anne Franzkowiak, die die Musikaliensammlung des Märkischen Museums betreut. Verdi jedoch war 1871 zugegen, als in Bologna mit „Lohengrin“ die erste Wagner-Oper in Italien gegeben wurde. Sein Urteil fiel einigermaßen ernüchtert aus. So beklagte er ein „Übermaß an langen Noten“ und fand, Wagners Musik sei insgesamt „ohne Poesie und Feinheit“.
Großes Finale für Caruso
Im Mittelpunkt der Veranstaltung standen allerdings nicht das verbürgte oder mutmaßliche Konkurrenzgebahren der beiden Komponisten, sondern historische Aufnahmen von Verdi-Arien, die im Archiv des Museums lagern. Franzkowiak präsentierte denn auch eine ganze Reihe beeindruckender Grammofonaufnahmen aus dem frühen 20. Jahrhundert von grandiosen Sängern wie der italienischen Sopranistin Amelita Galli-Curci, dem Bariton Joseph Schwarz oder dem Bass Tancredi Pasero – das große Finale war für Enrico Caruso mit einer Arie aus „Aida“ reserviert.
Die ebenfalls dargebotenen Transkriptionen für mechanische Instrumente hatten demgegenüber eindeutig Kuriositätencharakter. Ob an Pianola, dem jahrmarktsmusikartigen Orchestrion oder Drehorgel – Verdis Musik überstand die Übertragung ins Automatenmedium nicht unbeschadet. Oder sollte mit diesen Beispielen am Ende noch einmal das Klischee bedient werden, bei Verdis Melodien handle es sich um „Leierkastenmusik“? TIM CASPAR BOEHME
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