piwik no script img

Die ökonomisierte FamilieKOMMENTAR VON HEIDE OESTREICH

Kinder als knappes Gut, Familien als Produzenten von Humanvermögen, Kinderbetreuung als Investition – das Vokabular des neuen, siebten Familienberichts irritiert. Es ist nicht allzu lange her, dass bei uns die Familie als Privatsache betrachtet wurde. Zwar galt es, sie wohlwollend mit Kindergeld und anderem zu bedenken, ansonsten war sie aber ein staatsfernes Biotop, in dem Liebe und Fürsorge walten. Ist das schön, die Kinder nun als Humanvermögen in eine Art volkswirtschaftliche Gesamtrechnung einzustellen?

Schön vielleicht nicht, aber politisch zweckmäßig. Denn auch bisher gab es nicht nur das Reich der reinen Familienwerte, sondern ebenfalls eine ökonomische Betrachtung. Nach ihr bediente sich die Volkswirtschaft der Ressource Mensch, wie es ihr beliebte, aber die Reproduktionskosten lagerte sie aus in die Familie. Begründung: Mutterliebe sei unbezahlbar. Damit rückte die Familienarbeit der Ehefrauen in das Reich des Guten und Schönen, wo es herzlos wäre, über den schnöden Mammon zu reden. Das aber ist ein ideologisches Konstrukt, um die Familienarbeit weiterhin billig zu bekommen.

Das Elterngeld, das der Familienbericht gutheißt, durchbricht diese Externalisierungsstrategie. Der „Wert“ der Frauen wird in die Sphäre der Ökonomie geholt und damit überhaupt erst quantifizierbar gemacht. Auch kann dann in Rechnung gestellt werden, dass die Qualifikation der heutigen gut ausgebildeten Mütter oft auf dem Arbeitsmarkt gewinnbringender eingesetzt ist als im Haushalt. In diesen Kategorien ist auch verständlich, dass der männliche Alleinverdiener heute ein Hochrisikomodell ist, weil die gut bezahlten Dauerjobs rar werden. Familienarmut in Deutschland ist auch wegen dieser Fehlkalkulation viermal so hoch wie in Schweden, das die Erwerbstätigkeit der Mütter unterstützt.

Mit dieser ökonomistischen Betrachtung kann man die Kosten des alten Modells vorrechnen und ein neues vorschlagen. Der Wert der Familie ist damit nicht hinreichend beschrieben. Tatsächlich lässt sich Liebe nicht in Geld umrechnen. Aber die Politik muss auch keine Liebe produzieren, das kann sie ruhig weiter den Familien überlassen. Sie muss diese Liebe ermöglichen. Und das durchaus auch mit Geld.

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen