: „Hier finden Sie bald Ladesäulen in Ihrer Nähe“
AM START Elektroautos mehrerer deutscher Hersteller gehen jetzt in Serie. Das könnte die entscheidende Wende hin zum elektrischen Individualverkehr sein. Doch in anderen Ländern ist man schon weiter. Der umweltpolitische Druck ist dort größer
VON MIRKO HEINEMANN
Die diesjährige Internationale Automobilausstellung IAA in Frankfurt am Main stand ganz unter dem Zeichen von Volt und Ampere. Allein die deutschen Autohersteller präsentierten 14 neue Modelle, die über einen Elektroantrieb verfügten. Volkswagen stellte elektrische Versionen ihres Mittelklassewagens Golf und des Kleinwagens Up vor, und Mercedes zeigte die neue B-Klasse „Electric Drive“.
Am meisten Aufmerksamkeit aber erregte der BMW i3. Im Gegensatz zu anderen Herstellern haben die Bayern nicht einen Elektromotor in ein klassisches Automobil eingebaut, sondern das ganze Fahrzeug neu konzipiert. Das Fahrwerk besteht aus Aluminium, die Karosserie aus leichtem CFK, kohlefaserverstärktem Kunststoff. Im Innenraum wurden umweltfreundliche Materialien verbaut, etwa Fasern von Malvengewächsen, sogar Kunststoff aus dem Recycling von PET-Flaschen. Und ein eigens errichtetes Windkraftwerk am Leipziger Werk soll gewährleisten, dass die Energie zur Fertigung des Autos aus erneuerbaren Quellen stammt.
Damit würde man gern durch Deutschland cruisen. Die Oma in Sachsen besuchen. Das wäre bei der maximalen Reichweite mit einer Akkuladung von gut 160 Kilometern von Berlin aus gerade so möglich. Für die Rückfahrt müsste man die Batterien allerdings nachladen. BMW verspricht, dass man mit der herstellereigenen Plattform „Charge now“ einfach Ladestationen in der Nähe finden kann. Also flugs die Website von „Charge now“ aufgerufen: „Hier finden Sie bald Ladesäulen in Ihrer Nähe.“ Darunter steht: „Per E-Mail informieren, wenn es so weit ist.“ Der Besuch bei der Oma in Sachsen? Aufgeschoben. Die Ungeduld bleibt bestimmendes Grundgefühl beim Thema elektrisches Fahren: Wann geht’s denn endlich los?
So geht es seit drei Jahren, seit die Kanzlerin den großen Aufbruch verkündete: Bis 2020 sollen eine Million elektrisch angetriebene Autos auf deutschen Straßen fahren. Ein weiter Weg: Anfang 2013 waren rund 7.000 E-Autos beim Kraftfahrt-Bundesamt registriert, insgesamt sind in Deutschland 52 Millionen Kraftfahrzeuge zugelassen. Dennoch: Der IAA-Auftritt der deutschen Hersteller hat zumindest Kurt Sigl, Präsident des Bundesverbands eMobilität überzeugt: „Ein großer Teil des Durchbruchs ist geschafft.“ Seien die deutschen Autohersteller bisher stets Bremser der E-Mobilität gewesen, habe jetzt mit BMW „ein großer deutscher Hersteller die Weichen gestellt. Die anderen werden nachziehen.“ Wenn das so ist, dann wird sich in Deutschland bald einiges ändern müssen.
Die gesamte Infrastruktur ist auf Verbrennungsmotoren zugeschnitten. In Deutschland gibt rund 14.000 Tankstellen mit je mindestens einem halben Dutzend Zapfstellen, aber nur 3.000 Stromzapfstellen. Der Ausbau der Ladesäulen im öffentlichen Raum stockt. RWE fährt den Ausbau seines Stromzapfsäulennetzes herunter, Siemens hat sich gleich ganz aus dem Geschäft zurückgezogen. Kurt Sigl ist das egal. „Ladesäulen bauen können auch andere“, räsoniert der E-Mobilitäts-Befürworter. „Dafür brauchen wir weder Siemens noch RWE.“ Ein weit größeres Problem sieht er in den komplexen Genehmigungsverfahren, die dem Bau von Ladesäulen im öffentlichen Raum vorangehen: „Hier muss die Regierung dringend die rechtlichen Rahmenbedingungen anpassen.“
Als weiteres Hemmnis für die schnelle Einführung von elektrisch betriebenen Fahrzeugen erweist sich derzeit die Batterietechnik. Einerseits speichern die handelsüblichen Akkus immer noch nicht genügend Energie für wirklich lange Strecken. Anderseits können sie bei Crashs offenbar leichter explodieren als konventionelle Benziner. Obwohl es nur vereinzelt Nachrichten über Elektroautos gibt, die in Flammen aufgehen, hinterlassen sie stets nachdrückliche Spuren in der jungen Industrie. Nachdem 2012 ein Fahrzeug der chinesischen E-Auto-Firma BYD in Flammen aufging, brach der Umsatz des Start-ups massiv ein.
Auch der Preis sorgt nicht gerade für Kauflust: Für die 35.000 Euro, die etwa der elektrische BMW i3 kostet, gibt es auch den X3 vom selben Hersteller. Nur: Der i3 ist ein Kleinwagen, der X3 ein Mittelklasse-SUV. Um den Absatz der teuren E-Autos anzukurbeln, fordern manche Politiker daher Prämien. Valerie Wilms von den Grünen etwa möchte den Kauf mit 5.000 Euro belohnen. Andere setzen auf Anreize wie die Erlaubnis für E-Fahrer, Busspuren zu benutzen oder in Innenstädten gratis parken zu dürfen. Einen Antrag zu Letzterem hat das grün-rot regierte Bundesland Baden-Württemberg bereits in den Bundesrat eingebracht.
Dass die Zukunft des Verkehrs elektrisch sein wird, liegt auf der Hand. Federführend für diese Entwicklung aber werden wohl nicht die Industriestaaten sein, sondern die Schwellenländer. In China wurde schon längst erkannt, dass die Metropolen in Autoabgasen ersticken werden, wenn nicht schnell gegengesteuert wird. Über 140 Millionen Elektroroller sollen dort bereits unterwegs sein. Und wer ein Elektroauto kauft, erhält nicht nur einen staatlichen Zuschuss, sondern in großen Städten wie Peking und Schanghai auch sofort ein Nummernschild. Und das ist ein echter Mehrwert. Denn wer ein Auto mit Verbrennungsmotor anmelden möchte, muss ähnlich wie beim Lotto ein Los ziehen. Die Chancen in Peking stehen derzeit bei eins zu achtzig.
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