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Merkel will UN zusammenhalten

Iran-Konflikt: Bush erwartet heute Hilfe, doch die Kanzlerin sieht sich als Vermittlerin

BERLIN taz ■ Ob sie einen Handkuss von Chirac bekommt oder von Putin einen Bärenbraten: Die Auslandstouren der Kanzlerin wecken bei ihrem Koalitionspartner oft Neidgefühle. Die SPD spricht dann gern vom „Sonnendeck“, auf dem es sich Angela Merkel gut gehen lasse. Heute aber, wenn die Kanzlerin in die USA fliegt, dürften die Sozialdemokraten kaum mit ihr tauschen wollen. Merkel steht vor der schwierigsten Reise ihrer Amtszeit. Mitten in der internationalen Krise um das iranische Atomprogramm muss sie auf jedes Wort achten, schöne Fotos helfen diesmal herzlich wenig.

Die Anforderungen sind hoch – und widersprüchlich. Bei der Festveranstaltung zum 100-jährigen Jubiläum des American Jewish Committee morgen in New York werden von Merkel Solidaritätsadressen an Israel erwartet – und markige Worte gegenüber dem Iran. Auch US-Präsident George Bush hofft auf Unterstützung und ließ erklären, Merkel sei seine „Freundin“, was diese sicher gern bestätigt. Andererseits aber hat die Kanzlerin sich ausdrücklich vorgenommen, zu einer Deeskalierung des Konflikts zwischen den USA und Iran beizutragen – wenn möglich, schon bei ihrem heutigen Treffen mit Bush im Weißen Haus. Das bedeutet Überzeugungsarbeit. Aus deutscher Sicht stehe bei der Lösung des Iran-Problems eindeutig „die Diplomatie im Mittelpunkt“, hieß es gestern in Regierungskreisen. Für die Kanzlerin sei klar, „dass dieser Konflikt nicht militärisch gelöst werden darf“. Damit distanzierte sich Berlin bereits vor dem Merkel-Besuch deutlich von Bushs Säbelrasseln – ohne den USA Vorwürfe zu machen.

„Dass ein amerikanischer Präsident militärische Optionen ausschließt, kann von ihm nicht erwartet werden“, hieß es verständnisvoll. So weit wie diplomatisch möglich ließ Merkel jedoch ihr Unbehagen darüber zum Ausdruck bringen, dass die USA unverhohlen mit einer „Koalition der Willigen“ gegen Iran drohten, falls es keine Einigung in den UN-Gremien gebe. In Berlin hieß es gestern, bei allen Überlegungen und Gesprächen Merkels beschäftige sie sich vor allem mit einer zentralen Frage: „Wie schaffen wir es, die internationale Staatengemeinschaft zusammenzuhalten?“ Immer wieder wird diese Formel wiederholt: „Zusammenhalten.“ Nur wie? Während die USA ihren Kurs verschärfen, lehnen die UN-Sicherheitsräte Russland und China Sanktionen weiter ab.

Merkel versucht eine Mittlerinnen-Rolle einzunehmen. Sie deutet an, dass sie zu Sanktionen bereit sei, wenn Teheran seine Urananreicherung fortsetzt. Finanzminister Peer Steinbrück (SPD) hat mit den USA bereits die Möglichkeit erörtert, iranische Konten einzufrieren. Um die zögernden Russen und Chinesen nicht zu verschrecken, wird in Berlin gestreut, man könnte sich zunächst auf „diplomatische und politische Sanktionen“ beschränken. Das Wichtigste sei, „Schritt für Schritt“ vorzugehen. Klingt irgendwie bekannt. Im Gegensatz zur Innenpolitik kann Merkel im Iran-Konflikt aber nicht selbst bestimmen, wann sie zum Schwur gezwungen wird. LUKAS WALLRAFF

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