press-schlag: Ein Anhänger des FC Bayern München gönnt sich drei Siegerzigaretten
Der FC-Bayern-Fan gilt allseits als seelisch verkümmerter und selbstgefälliger Trampel. Das ist mir seit über zwanzig Jahren egal
„Es war zunächst zu wenig Champagner und vor allem Weißbier da“, erzählte hinterher, im „Aktuellen Sportstudio“, Uli Hoeneß, gefragt, wie sich die Busfahrt von Kaiserslautern nach Köln gestaltet hatte, wo der FC Bayern München seine zwanzigste Meisterschaft nach dem Willen des Hauptsponsors auf einem Rheinschiff zu feiern gezwungen war.
Grammatikalisch betrachtet war der Satz nicht ganz korrekt. Zwar war, Hoeneß zufolge, zunächst zu wenig Champagner vorrätig gewesen, zugleich war jedoch vor allem Weißbier dagewesen. Ob allerdings das Weißbier wirklich in ausreichenden Quanten zur Hand gewesen war oder eben, so stand zu vermuten, eher nicht, das war dann angesichts des milde strahlenden Managers ohnehin vollkommen wurscht. Denn mit dem ersten Doppel-Double der deutschen Fußballgeschichte krönte der FC Bayern in heuer gänzlich uneitler Manier eine Spielzeit, die freudvoller nicht hätte verlaufen können. „Bayern wird Meister, klar“, hatte mir Günther Koch vormittags im Zug von Frankfurt nach Nürnberg versichert. Wenn er’s sagt, der Günther, wird es so kommen, dachte ich, die prophetische Gabe des Teiresias vom Valznerweiher ist legendär. Später, vor dem Autoradio, beschlich mich deshalb selbst nach der Parallelführung von Kaiserslautern und Hamburg nicht der leiseste Zweifel am Ausgang der 43. Bundesligasaison. Es mag diese wohlige Gewissheit sein, die den FC-Bayern-Fan zum allseits als opportun, seelisch verkümmert und selbstgefällig geschmähten Trampel stempelt. Das ist mir seit über zwanzig Jahren egal.
Mitte der zweiten Halbzeit musste ich für etwa zehn Minuten vom Radio weichen. Als ich zurückkehrte, war, so der traumverloren entgeisterte Reporter im Berliner Olympiastadion, die Hertha durch „Gagafußball“ in Unterzahl auf 4:2 davongezogen, und Andreas Ottl hatte den Bayern den Ausgleich beschert. Ich begann, beinahe freundliche Gefühle für den BSC zu entwickeln, und sprach ein paarmal den stante pede zur magischen Formel nobilitierten Namen Ottl vor mich hin. Die Sonne schien gleichmütig und schön.
Ich habe in Anbetracht einer Saison der omnilateralen Klagen über die Larmoyanz der Vereinsoberen, die Ballack-Debatte oder das zähe Spiel keinen Grund zum Klagen. Mainz mit Klopps Tränen durch, Frankfurts Hochsympathen gerettet, Hans Meyers FCN auferstanden – ein ideales Schlusstableau inkl. eines sanftmütigen Oliver Kahn, der vor den Kameras schamvoll die Siegeszigarre verbergen musste.
Ich hab auf ihn und vor allem auf den Größten, auf Mehmet Scholl, noch drei Zigaretten geraucht, mein Apfelsaftglas erhoben und bin früh schlafen gegangen, hoch droben unterm Dach eines ehemaligen Bauernhofs auf dem stillen Land. Wunderbare Welt. JÜRGEN ROTH
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