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Zu Besuch bei den Neinsagern

WAHLVERHALTEN Nirgendwo sonst in Berlin haben mehr Menschen den Gesetzentwurf des Energietischs abgelehnt als rund um den U-Bahnhof Dahlem-Dorf. Was waren ihre Beweggründe? Eine Spurensuche

„Billiger wird der Strom ja doch nicht“

EINE DAHLEMERIN ERKLÄRT, WARUM SIE MIT NEIN GESTIMMT HAT

Wer im „Kornfeld“ sitzt, kann am Sonntag eigentlich nur für die Rekommunalisierung der Energieversorgung gestimmt haben. Ben und Frieder, Studenten am Fachbereich Physik der nahen FU, sitzen am Montag im „Kornfeld“ und schlürfen Milchkaffee. Das Café an der Königin-Luise-Straße ist eine beliebte Alternative zur FU-Mensa. Klar, sagt Frieder, habe er mit Ja gestimmt. Weil Ben kein Berliner ist, musste er bei der Wahl zuschauen, aber beide sind sie „für ein Stadtwerk, das vom Land betrieben und kontrolliert wird“, und für mehr „grüne Energie“. Dass es nicht gelungen ist, Vattenfall in die Wüste zu schicken, finden die beiden Studenten „schon blöd“. Aber das Leben geht weiter.

Gerade in Dahlem. Hier, im Stimmbezirk 06607 rund um die U-Bahn-Haltestelle Dahlem-Dorf, votierten berlinweit die meisten Wählerinnen und Wähler prozentual mit Nein – ganze 43,3 Prozent. „Was aus der Steckdose kommt, wird doch nicht besser oder grüner, nur weil die öffentliche Hand das Netz oder ein Stadtwerk unter ihren Fittichen hat“, sagt stellvertretend einer von ihnen. Herr Gönnen gehört zu den 1.580 Stimmberechtigten, die in gediegenen Villen, hinter hohen Hecken und mit Parkanlagen vor der Tür leben. Er und 322 andere Wähler haben sich hier an der Abstimmung über den Gesetzentwurf des Energietischs beteiligt.

Die Erich-Kästner-Grundschule, ein weitläufiges Ensemble in gelbem Klinker, liegt im Bachstelzenweg, einer kleinen Seitenstraße. Die Schule rühmt sich, gute Förderprogramme für sehr schlaue Kids anzubieten – genau das Richtige also für die Kinder der begüterten Eliten. In der Erich-Kästner-Grundschule liegt das widerständige Abstimmungslokal. Auch Helga Scholl* war dort, und auch sie hat sich gegen den Entwurf ausgesprochen, weil sie nicht glaubt, dass „Herr Wowereit alles besser kann als die privaten Firmen“. Scholl, etwas wackelig auf den Beinen, kommt aus der Apotheke Dahlem-Dorf. Sicher ist sie sich aber: „Billiger wird der Strom ja doch nicht.“ Und die „finanziellen Gefahren“, die ein Stadtwerk mit sich brächte, seien nun vom Tisch.

Heinz Badde* harkt Laub vor seinem Haus, einem Backsteintraum im Bauhausstil, Solaranlage auf dem Dach. Der Mann wiegt den Kopf, als er um Auskunft gebeten wird, wie er abgestimmt habe. Nein, er war nicht wählen, aber er hätte den Gesetzentwurf abgelehnt, sagt er. Nicht weil er gegen eine „Anstalt öffentlichen Rechts“ wäre, nein, das „wäre ja vielleicht ganz gut“, und ein Stadtwerk bleibe ja weiter auf der Agenda des Senats. Gewurmt haben ihn Punkte wie die „Energiearmut“ und die aus seiner Sicht viel zu breite Mitsprache vieler Gremien.

In Baci’s Coffee Shop, gegenüber den Museen Dahlem, ist die Stimmung anders. Dort, wo sich Studenten, Professoren und Museumsleute beim Mittagessen treffen, bedauert man es, dass der Volksentscheid „danebenging“, wie sich eine Museumsangestellte ärgert. Vattenfall mag sie nicht, schon gar nicht deren Kohlebuddelei. „Rückständig“, findet die Friedrichshainerin. Hätten alle Stimmbezirke so abgestimmt wie der ihre, nämlich mit über 80 Prozent Ja, es hätte gereicht. ROLA

*Namen geändert

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