DIE KAPITALISTISCHE REGULIERUNG DES VERKAUFS WEICHER DROGEN: Was soll der Scheiß?
Von Helmut Höge
Die Kreuzberger Bürgermeisterin will im Görlitzer Park, wo die afrikanischen Drogendealer immer wieder von der Polizei brutal aufgestört werden, einen „Coffeeshop“ genehmigen. Sie hat damit erneut eine Diskussion über die Legalisierung „weicher Drogen“ angestoßen.
Der Drogenexperte des Kreuzberger Urbankrankenhauses, Michael de Ridder, erinnerte unlängst in einer großen Studie daran, dass Deutschland einst der größte Heroinproduzent der Welt war. Bayer produzierte es als Pulver, Mixtur, Saft oder Zäpfchen, für Frauen gab es heroinhaltige Tampons. Während Schweizer Chemieunternehmen damals Kokain in alle Welt exportierten. Es ist noch immer, zusammen mit diversen Designerdrogen und Veterinärmedikamenten, auf Partys eine große Amüsierhilfe.
Beim Cannabis verlief die Kurve andersherum, beginnend mit dem Slogan „Sex & Drugs & Rock ’n’ Roll“ und den militanten „Haschrebellen“ bis hin zur heutigen „Hanfparade“. Trotz gestiegenem THC-Gehalts wurde daraus eine „softe“ Arbeits- und Freizeitdroge, wobei die HartzIVler gern billiges „Gras“ aus hiesigem Anbau kaufen. Hasch ist eine Volksdroge geworden – ähnlich den Alkoholika, die man in Deutschland auch privat herstellen darf.
Schon Ende der Siebzigerjahre hatten Polizisten bei Razzien in linken Wohngemeinschaften die gelegentlich dort gezüchteten Hanfpflanzen unangetastet gelassen und höchstens lachend bemerkt: „Das wäre was für unsere Kollegen von der Rauschgiftfahndung.“ Die galten aber als Deppen, weswegen sie ihnen nie etwas verrieten. Mit der Zeit wurde das Haschisch ähnlich behandelt wie Bordelle vor dem Prostitutionsgesetz, also „in Maßen geduldet“.
Nun gibt es den Kreuzberger Vorstoß, es zu legalisieren – und dafür einen quasi normalen Markt zu schaffen. Ein Coffeeshop im Görlitzer Park würde wohl wegen der Massen ausländischer Jungtouristen in Berlin mindestens ebenso belagert werden wie jetzt der vegane Döner- und Curry 36-Imbiss am Mehringdamm. Hinzu kommt, dass sich dann noch mehr (männliche) Jugendliche als jetzt zudröhnen werden und auf der anderen Seite der Warenkette der Reemtsma-Konzern mit zehn eigenen Sorten auf den Markt kommt; schon bald gehören ihm auch sämtliche „Head-Shops“, die modern umgestylt werden. Alle Hasch-Anbauer und -Dealer gehen kaputt. Zuerst die Afrikaner mit ihrem Straßenverkauf, dann auch die geschäftstüchtigsten und ängstlichen „Scene“-Existenzen.
Ist diese kapitalistische Durchregulierung ein Fortschritt? Zumal der Führerscheinentzug auch bei nur geringen Mengen, die konsumiert wurden, weiterhin droht – und dann noch mehr Leute betreffen wird.
Gegen diese anarchistische Sicht auf das „Drogenproblem“ wird stets eingewandt, dass eine Durchregulierung – vom (Öko-) Anbau über die industrielle Verarbeitung bis zum (Bio-)Coffeeshop – die Qualität des Stoffes garantieren würde.
Cannabis als Mundspray
Aber schon die kleine Lösung „Cannabis auf Rezept“ ist mit geradezu irrsinnigen Auflagen verbunden, zudem wird dieses THC-haltige Produkt chemisch von Pharmakonzernen hergestellt und an Apotheken verkauft, wo man es dann gegen Vorlage eines Rezepts in der Handelsform „Sativex“ als Mundspray bekommt. Zahlen muss man es selbst. Die „Behandlung“ kostet laut S.Z. „mehrere hundert Euro pro Monat“.
Was soll dieser ganze Kontroll-Scheiß? Die S.Z. schreibt treudoof: „Cannabis auf eigene Faust anzubauen oder zu kaufen, ist auch für Kranke illegal. Und auch unter medizinischen Gesichtspunkten ist die Selbstmedikation nicht zu empfehlen. Patienten haben keine Sicherheit über die Konzentration der Inhaltsstoffe und niemanden, der die Therapie überwacht.“
Überwachen und Strafen – muss man alle Bereiche damit überziehen? In Brandenburg hat man unlängst sogar das Sammeln von Heilkräutern und Gewürzpflanzen und ihren Verkauf auf Wochenmärkten verboten. Das dürfen jetzt nur noch lizensierte Pharmakonzerne. Hunderte von Kräuterfrauen verloren ihren kleinen Nebenverdienst. Das ist doch eine Riesensauerei!
Links lesen, Rechts bekämpfen
Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen