: Brandenburg beleidigt
Reisewarnung an Dunkelhäutige sorgt für Kontroversen: Ostdeutsche Städte wehren sich gegen rechtes Image. No-go-Areas gebe es überall
VON FELIX LEE UND GESA SCHÖLGENS
Eigentlich muss man Brandenburgs Innenminister Jörg Schönbohm (CDU) dankbar sein. Hätte er am Mittwoch nicht so zügig auf das Interview des Ex-Regierungssprechers Uwe-Karsten Heye (SPD) reagiert, wäre Heyes Reisewarnung an dunkelhäutige WM-Touristen, bestimmte Gegenden Brandenburgs zu meiden, wahrscheinlich verpufft. Sie hätte so wenig Empörung ausgelöst wie Schönbohms Äußerung vor gut drei Wochen. Da hatte er im Tagesspiegel sinngemäß nichts anderes gemeint, als er sagte, es gebe in Brandenburg Gegenden „wo man sich klugerweise nachts lieber nicht allein aufhalten sollte“. Wegen Schönbohms prompter Skandalisierung ist das Thema nun aber in aller Munde.
Heyes Äußerungen sorgten auch gestern für Kontroversen. Der Magdeburger Ministerpräsident Wolfgang Böhmer (CDU) wie auch Bundestagsvizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt (Grüne) und der Kriminologe Christian Pfeiffer kritisierten die Reisewarnung als überzogen.
Am meisten fühlen sich jedoch Brandenburgs Bürgermeister und Gemeinderäte auf den Schlips getreten. „Es gibt in jeder Stadt Orte, wo man nicht zu jeder Tageszeit hingehen sollte – egal welche Hautfarbe man hat“, sagte Wolfram Bleis, CDU-Fraktionsvorsitzender in Rathenow. Die Bezeichnung „No-go-Areas“ sei wenig hilfreich und „Wasser auf die Mühlen der Rechten“.
Etwas milder formulierte es Karin Rätzel, parteilose Oberbürgermeisterin von Cottbus. „Heyes Aussagen waren keine Entgleisung, aber eine Überzeichnung. Er wollte eine Diskussion entfachen, aber die Wahl der Worte war daneben“, sagte Rätzel. „Wir bedauern jeden Überfall“, so Rätzel. Allerdings wünsche sie sich mehr Anerkennung dessen, was geleistet wird – auch an Zivilcourage gegen rechts. „Heye hat auf Probleme aufmerksam gemacht, mit denen wir uns aktiver auseinander setzen müssen. Aber seine Aussagen waren zu pauschal“, sagt der Potsdamer OB Jann Jakobs (SPD). Das sahen auch zwei Neuruppiner Rechtsanwälte so. Laut Bild haben sie am Donnerstag Strafantrag gegen Heye wegen Volksverhetzung gestellt.
Dagegen gaben der grüne Europa-Abgeordnete Cem Özdemir und die SPD-Bundestagsabgeordnete Lale Akgün Heye recht. Bislang hatte er in seiner Partei nur vom Vorsitzenden des Bundestagsinnenausschusses, Sebastian Edathy, Schützenhilfe erhalten. Edathy hatte Verständnis geäußert und gesagt, dass er sich als Sohn eines Inders „nachts nicht in eine S-Bahn nach Berlin-Treptow setzen“ würde.
Sigrid Müller, Fraktionsgeschäftsführerin der PDS in Potsdam, sagte: „Heye hat eigentlich nur ausgesprochen, was alle Menschen wissen, die mit offenen Augen und Ohren durch die Welt gehen.“ Auch einen Imageschaden habe Brandenburg schon länger. Und tatsächlich: Zahlreiche aktuelle internationale Reiseführer wie der „Lonely Planet“ oder „Time out Berlin“ raten, östliche Vororte in Berlin und Brandenburg zu meiden, „wenn Sie homosexuell oder nicht-deutsch aussehen“. Das Problem sei, dass führende Politiker keine Konsequenzen daraus zögen, sondern sogar das Landesbudget für Jugendfördergruppen und Jugendsozialarbeiter strichen, so PDS-Frau Müller.
Der Afrika-Rat bleibt bei seinem bereits angekündigten Vorhaben: Mitte nächster Woche will er eine Landkarte mit No-go-Areas veröffentlichen. Dieser so genannte Gefahrenatlas soll zeigen, wo Menschen mit dunkler Hautfarbe besonders gefährdet sind. Neben Orten in Brandenburg werden auch Magdeburg und die beiden Berliner Bezirke Köpenick und Pankow genannt.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen