: Mehr Geld für Verbraucher und Betriebe
Bundespräsident Horst Köhler schlägt vor, die Mehrwertsteuererhöhung an die Bevölkerung zurückzugeben
BERLIN taz ■ Mit seiner Empfehlung zur Mehrwertsteuer versucht Bundespräsident Horst Köhler, die große Koalition von ihrem bisherigen Weg der Finanzpolitik abzubringen.
Bundesfinanzminister Peer Steinbrück (SPD) plant, rund 16 von 24 Milliarden aus der höheren Mehrwertsteuer zu verwenden, um das Defizit in den öffentlichen Haushalten zu decken. Steinbrück will das Schuldenkriterium im Vertrag von Maastricht – maximal drei Prozent neue Staatsschulden im Verhältnis zum Bruttoinlandsprodukt – 2007 unbedingt wieder einhalten. Außerdem plant er, einen verfassungsgemäßen Bundeshaushalt aufzustellen, in dem die neuen Schulden die Investitionen nicht übersteigen.
Dies hält Köhler offenbar auch ohne die Mehrwertsteuer-Milliarden für möglich. Wie viele Ökonomen geht er davon aus, dass die Staatseinnahmen wegen der besseren Konjunktur in diesem Jahr ohnehin reichhaltiger fließen. Mit etwas Glück hält Deutschland das Maastricht-Kriterium schon 2006 wieder ein. Um dieses Ziel zu erreichen, braucht Steinbrück die Mehrwertsteuer-Milliarden 2007 wahrscheinlich nicht mehr. Schwieriger ist es freilich, einen verfassungsgemäßen Haushalt aufzustellen. Wenn Steinbrück dafür nicht auf die Mittel aus der höheren Mehrwertsteuer zurückgreifen kann, muss er sparen. Und zwar so konsequent, dass ihm dies Probleme mit seiner Partei einbringen würde.
Einerseits setzt Köhler mit seinem Vorschlag also den Bundesfinanzminister unter Druck. Andererseits versucht er, bei den Gewerkschaften zu punkten. Die argumentieren, die höhere Mehrwertsteuer nehme den Konsumenten Geld weg und behindere den Wirtschaftsaufschwung. Ökonomisch plausibel wäre es deshalb zumindest, den Verbrauchern einen größeren Teil ihres Verlustes zurückzuerstatten – indem beispielsweise die Lohnnebenkosten stärker sinken, als von der Bundesregierung geplant. Genau das schlägt Köhler vor. Der Trick: Auch die Betriebe würden profitieren. Während die Koalition nur einen Mehrwertsteuer-Prozentpunkt in die Reduzierung der Beiträge zur Arbeitslosenversicherung investieren will, verlangt Köhler, die Mehrwertsteuer „hauptsächlich“ dafür zu verwenden.
HANNES KOCH
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