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Reggaeton-Rekordler

Vor 500.000 Fans spielten „Calle 13“ jüngst in Havanna. Kein Zufall, denn die Band aus Puerto Rico ist der Megaakt der Reggaeton-Szene. Und obendrein auch noch kritisch

„Calle 13“ gelten als Kritiker der sozialen Verhältnisse in der Region

VON KNUT HENKEL

Ins Guinness-Buch der Rekorde haben es die beiden Frontfiguren von „Calle 13“ längst geschafft. Als größtes Einzelkonzert der Pop-Geschichte ging ihr Auftritt in Havanna am 23. März in die Annalen ein. Es ist natürlich kein Zufall, dass René Pérez Joglar, 31, und sein Halbbruder Eduardo José Cabra Martínez, ebenfalls 31, in Havanna am legendären Malecón auftreten durften. Die beiden MCs aus San Juan sind nämlich alles andere als auf den Mund gefallen und gelten als Kritiker der sozialen Verhältnisse in der Region. So was kommt im offiziellen Kuba gut an. Bei der Jugend der Insel ist Reggaeton ohnehin das große Ding und wenn dann die Band aus Puerto Rico ohnehin bereit ist, für lau zu spielen, steht einem Live-Akt auf der „Tribuna Antiimperialista“, direkt gegenüber der US-amerikanischen Interessenvertretung, nichts im Wege.

Trotzdem hat es mehrerer Anläufe bedurft, bis es dann klappte mit dem Event, denn „Calle 13“ sind vielbeschäftigt und oft auf Achse. Dabei schlagen sie nicht immer den gewünschten Ton an. In Manizales, einer kolumbianischen Provinzstadt, wurde die Band unlängst ausgeladen. Dem Bürgermeister passte es nicht, dass René Pérez, der Leadsänger mit dem von Tattoos geschmückten athletischen Oberkörper, im Frühjahr bei der Präsentation der Latino-MTV-Awards ein schwarzes T-Shirt mit dem Aufdruck „Uribe para (bases) militares“ trug. Eine deutliche Anspielung auf die paramilitärische Präsenz im Land genauso wie auf die Tatsache, dass Präsident Álvaro Uribe den USA eine ganze Reihe von Militärbasen zur Verfügung gestellt hat. In Kolumbien ist Kritik am omnipräsenten Präsidenten nicht gern gesehen, und vor allem auf dem Land ist sie Tabu. Darum scheren sich die kritischen Entertainer aus San Juan, der Hauptstadt Puerto Ricos, aber nicht.

Die wuchsen beide nur einige Straßen voneinander entfernt auf, trafen sich aber immer in der Calle 13, wo René wohnte. Beide Kinder wurden von den Eltern früh mit Musik und Kultur in Kontakt gebracht und landeten am Music Conservatory und der Manolo Acosto-Kunstschule. Eduardo wurde dort zum Musterschüler, lernte Saxophon, Flöte und Klavier, später auch noch Gitarre. Irgendwann fing er an, Musik in den Straßen zu spielen und das sorgte für neue Einflüsse wie Pop, Salsa und brasilianische Rhythmen. Dazu gesellte sich Kollege Computer.

René, alias „El Visitante“, ist hingegen der Lyriker des kongenialen Duos. Er sorgt für die Texte, komponiert und ist auch verantwortlich dafür, dass sich das musikalische Spektrum von „Calle 13“ erweitert. So greifen auch seine Mutter, Schauspielerin Flor Joglar, und seine Schwester ab und zu zum Mikro.

„Calle 13“ sind im Übrigen nicht nur in Kuba längst eine große Nummer, sondern in ganz Lateinamerika. Stadien werden gebucht, wenn die Puerto-Ricaner kommen und zwölf Grammys zeugen vom Ruhm. Der hat den beiden Halbbrüdern allerdings nicht den Kopf vernebelt und so gehören kritische Stücke wie „Querido F.B.I.“, ein Stück über die Machenschaften des FBI in Puerto Rico, am Mittwoch in der Fabrik genauso zum Programm wie der Sommerhit „Atrévete-te-te!“ von 2005.

■ Mi, 16. 6., 21 Uhr, Fabrik, Barnerstraße 36

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