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Ikea für den Dancefloor

POP Die schwedische Sängerin Robyn verzückt die Massen. Dabei ist ihr Selfmade-Image der Gegenentwurf zum maßgeschneiderten Popstar

Aber es gibt auf diesem ersten Teil der Albumtrilogie auch noch eine Achse des Guten

Von KIRSTEN RIESSELMANN

Dass es ein Ereignis in der Premier League der Popmusik ist, wenn eine Frau wie Robin Miriam Carlsson ein neues Album herausbringt, ist eigentlich eine erstaunliche Angelegenheit. Immerhin ist Robyn, so Carlssons Künstlername, eine Selfmadewoman ohne den promotionalen Hintergrund eines großen Labels, sie inszeniert sich nicht als allürenhafte Popqueen, sie hat keinen übermäßig gymnastizierten Körper, keine ultravirtuose R’n’B-Stimme, sondern lediglich ein leicht ins Minnie-Mausige tendierendes Singalong-Organ und eine wasserstoffblonde Achtziger-Kurzhaarfrisur als Markenzeichen. Trotzdem ist Robyn seit drei Jahren ein Weltstar.

Als sie ihre Karriere nach dem von der Major-Industrie betriebenen semierfolgreichen Aufbau als Christina-Aguilera-Epigonin in die eigenen Hände nimmt, sich aus Verträgen herauskauft, ihr eigenes Label gründet und 2007 ihr Album „Robyn“ herausbringt, hätte wohl niemand geweissagt, was in der Folge passiert: Richtungsweisende Blogs wie Popjustice empfehlen die Schwedin begeistert, ihre Videos werden YouTube-Hits, sie verkauft ihr Album bis zum Platinstatus, erreicht mit ihrer atemberaubenden Single „With Every Heartbeat“ Platz 1 der britischen Charts, Madonna nimmt sie ins Vorprogramm ihrer Tour. Robyn trifft mit ihrer Subjektmischung aus etwas in die Jahre gekommenem Riot Girl, melancholischer Romantikerin, begeisterter Tänzerin und unabhängiger Unternehmerin einen Nerv: Man nimmt sie als maximal authentisch wahr, ihr sympathischer Dancefloor-Pop spricht Bodenständige sowie Hipster an. Das Ikea-Prinzip.

Schrei nach dem Sommerhit

Zwei Jahre nach dem großen Durchmarsch tritt Robyn jetzt an, den Status „One Hit Wonder“ zu überwinden. Mit Verve. Sie will 2010 drei Kurzalben hintereinander veröffentlichen – das erste erscheint jetzt. „Body Talk Pt. 1“ kommt mit seinen acht Songs als eine stilistisch weit offene Erkundung des Möglichkeitsraums Pop daher. Und geht dabei ein hohes Risiko ein: Verzichtbares steht neben Gelungenem und nachgerade Schrecklichem. Da gibt es mit „Fembot“ ein niedliches Eighties-Spacesound-Stückchen, dessen cartoonhafte Unbedarftheit entsetzt: Hallo, ich bin ein hormonell ferngesteuertes Weibchen, aber ich habe Gefühle! Die erste Single „Dancing On My Own“ wiederum klingt wie die Coverversion eines der schlechteren Kylie-Minogue-Stücke aus den Achtzigern: eine überproduzierte Power-Pop-Nummer mit souverän marschierenden Synthies und Fump-Beat, die partout Überwältigung will, aber nur Schalheit hinbekommt. „Cry When You Get Older“ beschwört einen Spice-Girls-Sound, wie er irrelevanter nicht sein könnte. In die Hose gegangen ist Robyns Kooperation mit dem hoch gehandelten Produzenten Diplo (M.I.A., Santigold), der ihr eine Marshmallow-hafte Dancehall-Nummer gebastelt hat, die unerträglich „Sommerhit!!!“ schreit.

Aber es gibt auf diesem ersten Teil der Albumtrilogie auch noch eine Achse des Guten, eine Achse der Robyn, die neben dem Bespielen der Belanglosigkeit auch noch über die Macht zu berühren verfügt. Das Eröffnungsstück „Don’t Fucking Tell Me What To Do“ kotzt im monotonen Sprechgesang auf einer technoiden Clubbasis Genervtheit aus: Trinken, Rauchen, E-Mails, Handy, Mutter, Manager, das eigene Ego – alles „is killing me“. Schlank und cool, fast Malaria.

Elektrodrama und Popversprechen

Ganz groß dann Robyns zweite Kooperation mit Röyksopp. War das letztjährige „Girl and The Robot“ ein dunkel strahlendes Elektrodrama in der Tradition von Moby und Depeche Mode, kommt mit „None of Dem“ jetzt eine tolle Inszenierung des guten alten Popversprechens. Auf einem basslastigen Worldbeat meckert Robyn über Jungs, die nicht tanzen können, Beats, die nicht kicken, und Drogen, die nicht high machen. Die Urszene des Pop – „Ich bin gelangweilt, ich will hier weg, zu den Leuten, die super tanzen und super aussehen“ – wird in ein sonisches Narrativ verpackt, das die Erlösung in paradiesisch schillernden Synthie-Bögen und Robyns glockenhellem Refrain aufscheinen, aber nicht Wirklichkeit werden lässt: Dräuende Sägezahn-Synthies weichen Robyn nicht von der Seite, die Utopie des Geileren, Kickenderen bleibt Utopie und bewahrt so ihre treibende Kraft. Was für ein Stück.

Darauf das dritte Highlight dieser 30 Minuten: Die nur mit Piano und Streichern begleitete Ballade „Hang With Me“ ist von derart feiner Machart, dass sie einem empfindsamen Wesen sofort die Tränen in die Augen treibt. Solange Robyn noch einen derart bunten Strauß aus blutegelhafter Weichspülware und substanziellen Popperlen auf ein Album bannt, ist und bleibt sie eine Ausnahmekünstlerin. Vorfreude auf das, was das Jahr noch bringt, ist gerechtfertigt: Auf „Body Talk Pt. 2“ plädiert Robyn in einem Rap mit Snoop Dogg für eine schwarze Frau als Papst.

Robyn: „Body Talk Pt. 1“ (Konichiwa Records/Ministry of Sound) Konzert: Spex live, 25. 6., Gloria, Köln

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