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Der Anti-Sarkozy

HAHNENKAMPF Der frühere französische Premierminister Dominique de Villepin hat alles, was sein Rivale Nicolas Sarkozy nicht hat: Er ist groß, elegant und kultiviert. Nächste Woche gründet er sogar seine eigene Partei

De Villepins Dolchstoß

■  Der Termin: Am 19. Juni gründet Dominique de Villepin seine eigene Partei. Sein seit Herbst 2009 existierender Fanklub soll 15.000 Anhänger zählen. Die ihm treu ergebenen Abgeordneten und Senatoren lassen sich an einer Hand abzählen.

■  Das Ziel: Die mit Präsident Sarkozy Unzufriedenen sollen sich in Villepin erkennen und in seiner Partei sammeln. Wenn’s klappt, soll daraus eine Volksbewegung werden, die ihn bei den Wahlen 2012 auf den Thron hievt.

AUS PARIS RUDOLF BALMER

Vor wenigen Jahren waren sie noch Minister in derselben Regierung, gehörten zur selben politischen Familie, den Gaullisten. Aber Freunde waren sie nie. Schon zur Zeit von Präsident Jacques Chirac waren sie Rivalen im Stil feindlicher Brüder, die es beide auf das Erbe abgesehen haben. Selbst in der Politik hätte das die Ausgangslage für einen fairen Wettlauf sein können. Bis Nicolas Sarkozy mit dem Tiefschlag einer Strafklage gegen Villepin wegen Verleumdung in der so genannten Clearstream-Affäre seinen Konkurrenten definitiv außer Gefecht setzen wollte. Am Ende der Verhandlungen, in denen wohl auch die Richter nie ganz verstanden haben, wer alles in dieser verschachtelten Geschichte um gefälschte Kundenlisten eines luxemburgischen Geldinstituts nun wen und mit welchen Hintergedanken manipuliert haben könnte, wurde Villepin freigesprochen. Doch Sarkozy lässt nicht locker, die Staatsanwaltschaft hat Berufung eingelegt. Über Villepins Haupt und seinen politischen Ambitionen hängt wie ein Damoklesschwert der Berufungsprozess im kommenden Jahr.

Dominique de Villepin sinnt auf Revanche. Er will durch seine eigene Kandidatur Sarkozys Wiederwahl als Präsident vereiteln und selbst Kalif an Stelle des Kalifen werden. Lange begnügte er sich mit Sticheleien, jetzt geht er auf Konfrontationskurs. Der Zeitpunkt ist gut gewählt. Noch nie seit seiner Wahl 2007 war Präsident Sarkozy in der Wählergunst so tief gesunken wie jetzt. Mit der Gründung seiner Partei holt Villepin zum Dolchstoß aus. Noch mag Sarkozy darüber höhnisch lachen: „Auch du, Brutus?“ Aber da er schon genug Ärger mit seinen Partnern in der EU und innenpolitisch mit der Opposition und der öffentlichen Meinung überhaupt hat, ärgert ihn dieser Gegner im eigenen Lager in Wirklichkeit doch sehr. Denn der frühere Premierminister drückt ganz gezielt und wiederholt genau auf die Stelle, an der es am meisten wehtut.

Villepin ist stets zur Stelle

Das Erfolgsrezept ist sehr simpel: Wenn Villepin als Alternative ernst genommen werden will, muss er sich in allem und jedem vom jetzigen Staatschef abgrenzen und ihm nichts durchgehen lassen, nicht den kleinsten Patzer, nicht das geringste Anzeichen von Schwäche und Unsicherheit. Wenn die Konservativen die Regionalwahlen verlieren, wenn der Staatshaushalt unter der Schuldenlast ächzt, wenn es im deutsch-französischen Gespann knarzt, ist jedes Mal Villepin zu Stelle, um Sarkozy zur Verantwortung zu ziehen. Er wirft ihm Opportunismus und Mangel an Kohärenz vor: „Man drückt auf den Knopf ‚Burka‘, man drückt auf den Knopf ‚Sicherheit‘, und hopp, in den Umfragen geht’s hinauf!“ Wenn Sarkozy die heißen Vorstadtquartiere tunlichst meidet oder den wütenden Bauern auf der Pariser Landwirtschaftsmesse aus dem Weg geht, zeigt sich Villepin dort ostentativ lieber zweimal und besonders jovial und volksnah.

Wie populär er ist, beweist auch der gerade erschienene Comicband „Quai d’Orsay“ über seine Abenteuer als Außenminister, ein zweiter Band über seinen gallischen Hahnenkampf mit Sarkozy ist in Vorbereitung. In Umfragen liegt er mit fast 60 Prozent Zustimmung in der Wählergunst weit vor Sarkozy (38 Prozent) – was allerdings über seine Chancen bei den Präsidentschaftswahlen noch gar nichts aussagt, denn in heutigen Wahlsimulationen werden ihm lediglich 7 bis 10 Prozent der Stimmen prophezeit.

Als „Anti-Sarkozy“ hat er aber einen nicht zu unterschätzenden Vorteil. Er hat (fast) alles, was dem anderen abgeht: Er ist sehr groß, sportlich, elegant und attraktiv, er hat Manieren, ist kultiviert, belesen und eloquent. Unvergessen ist sein Auftritt im Februar 2003 vor dem Weltsicherheitsrat, wo er als Außenminister im Namen Frankreichs mit dem Veto gegen eine militärische Intervention im Irak drohte. Im Unterschied zu vielen anderen in der Politik schreibt er sogar seine Bücher selbst. Sogar die Boulevardpresse hätte ihre Freude an den Villepins als fotogener Präsidentenfamilie. Tochter Marie, 23, begann mit zwölf Jahren als Model für Elle, stolziert als Mannequin über Pariser Laufstege und hatte bereits kleine Filmrollen, unter anderem in „Inglourious Basterds“. Das wiegt zwar nicht eine Carla Bruni auf, aber immerhin …

Eigentlich hofft de Villepin insgeheim, dass ihn die Nation als Retter ruft. Im Voraus hat er darum gesagt, er habe nicht die Absicht, sich an irgendwelchen Vorwahlen zur Nominierung des Präsidentschaftskandidaten zu beteiligen. Trotzdem muss er jetzt sein Verhältnis zu Sarkozys Regierungspartei klären. Als ehemaliger gaullistischer Premierminister hat er im Prinzip automatisch Anrecht auf einen Sitz im Politbüro der konservativen „Union pour un Mouvement Populaire“ (UMP), die seit 2002 fast alle Strömungen der bürgerlichen Rechten vereint. Natürlich will Villepin keinesfalls, dass sein neues „Rassemblement“ (Sammlungspartei) zu einer der Satellitenparteien in der UMP wird wie das „Nouveau Centre“ oder die „Gauche moderne“.

Auf die Frage, ob er selbst noch UMP-Mitglied sei, hat Villepin provokativ erwidert, man könne ihm ja ein Formular samt Einzahlungsschein für den Mitgliederbeitrag zusenden. Warum nicht, meint dazu UMP-Generalsekretär Xavier Bertrand, der aber wissen will, ob Villepins Pläne noch einen kleinsten gemeinsamen Nenner mit der UMP und Sarkozy haben – oder nicht.

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