Der Minenanschlag in Sri Lanka gefährdet den Waffenstillstand: Alle Zeichen auf Eskalation
Der Minenanschlag auf einen mit Zivilisten voll besetzten Bus im Norden Sri Lankas ist nicht weniger als ein Kriegsakt. Wer immer dafür verantwortlich ist, hat die Eskalation im Sinn. Obwohl seit mehr als vier Jahren offiziell ein Waffenstillstand zwischen Regierung und Tamilen-Rebellen herrscht, ist der Blutzoll seit der Wahl von Präsident Mahinda Rajapakse im November drastisch gestiegen.
Eine Dialogrunde in Genf Ende Februar brachte nicht die erhoffte Entspannung. Das für April geplante Nachfolgetreffen und eine von den norwegischen Vermittlern kürzlich in Oslo geplante Begegnung ließen die Tamil Tigers (LTTE) platzen. Grund ist ein Streit über die Schlusserklärung von Genf. Darin hatte sich die Regierung verpflichtet, bewaffnete Gruppen in ihrem Einflussbereich zu entwaffnen. Gemeint ist die sogenannte Karuna-Gruppe, die sich vor zwei Jahren von der LTTE unter Vinayagamoorthi Muralitharan alias „Major Karuna“ abspaltete und rund um die Ostküstenmetropole Batticaloa operiert. Sie attackiert Mitglieder und soziale Basis der LTTE und genießt, wie unabhängige Journalisten nachgewiesen haben, den Schutz der Armee. Da die Regierung nicht aktiv wurde, begannen die Tiger, die Sache selbst in die Hand zu nehmen und die Karuna-Leute anzugreifen; dabei kamen immer wieder Regierungssoldaten ums Leben. Nach einem Angriff auf See, bei dem auch Mitglieder der skandinavischen Monitoring-Mission gefährdet wurden, setzte die EU die LTTE auf ihre Liste von Terrororganisationen, deren Mitglieder nicht nach Europa einreisen dürfen.
Bislang zeigten sich beide Seiten trotzdem bemüht, die Brücken nicht abzubrechen. Die Rückkehr zum offenen Krieg würde für das vom Tourismus abhängige Land den wirtschaftlichen Ruin bedeuten und internationale Bemühungen zugunsten einer Autonomielösung für die Tamilen zunichte machen. Anschläge auf unbeteiligte Zivilisten zählen bisher nicht zum Repertoire der Tamil Tiger, und noch nie haben sie ein Attentat so schnell und vehement verurteilt; sie vermuten Karuna hinter dem Attentat. Da sie den Konflikt aber selbst zuletzt auf diese Spitze getrieben haben, können sie in diesem Fall nicht hoffen, dass man sie für unschuldig hält. RALF LEONHARD
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