: Entlang der schneebedeckten Berge
WANDERN Der Nationalpark Torres del Paine in Chile ist nach der patagonischen Steppe ein Naturerlebnis
■ Der Park: Der 1959 gegründete Nationalpark Torres del Paine befindet sich im Süden Chiles und ist ein Teil von Patagonien. Er ist ganzjährig geöffnet und wird von der National Forestry Commission verwaltet (CONAF) www.conaf.cl
■ Wandern: Im Park sind viele Wander-Rundwege angelegt, die gut ausgeschildert sind. Es gibt mehrere Camping- und Hüttenbereiche. Wegen der steigenden Zahl der Touristen bereits in der Vor- bzw. Nachsaison (November, März, April) und Hauptsaison (Dezember bis Februar) sollten die Übernachtungen in den Schutzhütten vorab gebucht werden. Diese Handhabung gilt auch für Frühstück, Abendessen, Lunchpaket und Schlafsack. www.torresdelpaine.com
VON MAREN LANDWEHR
Tränende Augen, tropfende Regenjacke, kalte Füße: Wer bei zehn Grad im Sommer durch den Torres del Paine wandert, braucht unbedingt lange Unterhosen, wind- und regenfeste Kleidung, Handschuhe, Stirnband und Sonnencreme. Ständige Wetterwechsel sind in Patagonien ebenso alltäglich wie die spartanische Ausstattung einiger Schutzhütten ohne Licht und Heizung oder mit acht Stockbetten. Doch der chilenische Nationalpark ist so beliebt, dass diese Übernachtungsmöglichkeiten auch in der Vorsaison und im Winter belegt sind. Das liegt an den schneebedeckten Bergen, glasklaren, blauen Seen und Gletschern inmitten von Zypressen-, Südbuchen- und Olivillowäldern.
Es regnet. Patagonische Steppe, so weit das Auge reicht, vereinzelte Bäume, Schafe, Pferde, Gaunakos. Das Monotone endet erst am rund 181.000 Hektar großen Nationalpark, der sich an der argentinischen Grenze befindet und 1978 zum Biosphärenreservat der Unesco erklärt wurde.
Vor Einrichtung des Parks durch die Regierung Chiles hatten die Grundbesitzer bereits große Teile der Wälder abgebrannt, um Schafweideflächen zu gewinnen. Heute ist die Landschaft wieder der Natur überlassen. 2.000 und 3.000 Meter hohe Berge, auf denen auch im Sommer immer noch vereinzelt Schnee liegt; riesige blaue Seen mit Eisschollen, Gletschern und Bäumen wechseln sich ab. Verschiedenfarbige Blumen und der rote chilenische Feuerbusch leuchten trotz der tief liegenden Wolken in kräftigen Farben.
Die gut ausgeschilderten Wanderwege sind matschig. Jedem Schritt folgt ein glucksendes Geräusch. Rund zwei Stunden geht es von der Hosteria Las Torres über verschiedene Höhen zur „Refugio Chileno“. Der Erleichterung nach dem Ankommen folgt die Ernüchterung: Die Zimmer dieser Schutzhütte haben weder Licht noch Heizung. Die einzige Möglichkeit, Schuhe und Kleidung zu trocknen, bietet ein Holzofen im Flur, um den bereits die Kleidungsstücke von fünfzig anderen Wanderern liegen. Die sitzen dann auch im größten Raum, weil in den sechs Zimmern mit seinen jeweils acht Betten kein Platz mehr ist, wenn die Rucksäcke abgestellt wurden.
Doch nach dem Kleiderwechsel, dem warmen Essen und einem Glas chilenischen Rotweins verspricht das schmale Stockbett mit Schlafsack trotz der anderen sieben Mitschläfer zumindest zeitweiliges Aufwärmen.
Der Regen hat trotz gegenteiliger Prognosen aufgehört. Auf dem fünf Kilometer langen Weg von der Schutzhütte zu den Torres (Türmen) geraten angesichts des Höhenanstiegs von rund 1.000 Metern auch erfahrene Wanderer ins Schwitzen. Über Steine, kleine Bäche und durch Südbuchenwälder geht es entlang an schneebedeckten Bergen zum Wahrzeichen des Nationalparks. Dann ist der Blick am Mirador Torres auf die drei nadelartigen Granittürme frei. Heute sind wegen der Wolken zunächst nur zwei der zwischen 2.600 und 2.800 Meter hohen Türme sichtbar. Es dauert auch nur wenige Augenblicke, bis sich die Wolken verziehen und alle drei Torres erscheinen. Aber so plötzlich sie auftauchen, so schnell sind sie wieder verschwunden.
Beim Abgang über die Geröllmassen sind einige Stopps nötig, um die Entgegenkommenden angesichts der schmalen Pfade passieren zu lassen. Diese Rücksichtnahme gilt auf allen ausgewiesenen Wegen, die in den nächsten Tagen zu drei anderen Schutzhütten im Park führen. Alle Schutzhütten sind einfach, aber zweckmäßig mit einem Bett und einem, übrigens mietbaren, Schlafsack ausgestattet.
Gute Infrastruktur für Wanderer
Ein Abendessen in der Hütte kostet 14 Euro, das Bier drei Euro. In allen Hütten kann ein Lunchpaket für den nächsten Wandertag bestellt werden. Im Haus am Lago Pehoé findet man zusätzlich einen Minimarkt, in dem es von Obst bis zu Batterien alles gibt. Diese Anlage ist eine der neueren und bietet einen guten Komfort. Ein Aufenthaltsraum mit Sofa und Sesseln, zwei Internetplätze, Licht in den Zimmern und eine Kantine mit Selbstbedienung sind fast schon luxuriös. Doch die wahren Schätze liegen außerhalb jeder festen Unterkunft.
Die elf Kilometer lange Strecke vom Lago Pehoé zur „Refugio Grey“ entlang des Lago Grey ist mit seinen wechselnden Höhen und Tiefen an blau-türkisfarbenen Seen eine Herausforderung. Der Grey-Gletscher erstreckt sich zwanzig Kilometer vom patagonischen Inlandeis bis in den Lago Grey. Hier schieben sich Eismassen vor, einzelne Stücke brechen ab, die auf dem See treiben. Die Sonne lässt das Wasser erst blau, dann grünlich, später fast schwarz erscheinen. Ein Eintauchen in ständige Wetter- und Wahrnehmungswechsel.
Die heranziehenden Wolken hüllen die gerade noch sichtbaren Gletscher schnell wieder ein. Die Sonne ist verschwunden. Es ist dunkler geworden. Gleich regnet es wieder. Doch das ist am Ende der fünftägigen Wanderung ganz unwichtig.
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