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Keine Zeit für Aufbaupläne

PHILIPPINEN Die Opfer des schweren Taifuns „Haiyan“ warten nicht auf schöne Pläne für den Wiederaufbau aus Manila, sondern organisieren ihr tägliches Überleben längst selbst

„Wir müssen endlich dem Zyklus aus Zerstörung und Wiederaufbau entkommen“

PRÄSIDENT BENIGNO S. AQUINO

AUS TACLOBAN UND ORMOC HILJA MÜLLER

„Wir müssen uns beeilen, die Leute wollen endlich wieder ein Dach über dem Kopf. Die wollen nicht auf einen Masterplan aus Manila und auf die Ausweisung sicherer Wohngebiete warten.“ Taclobans Verwaltungschef Tecson John Lim hat berechtigte Sorgen. Sechs Wochen nachdem Taifun „Haiyan“ über zentralen Teilen der Philippinen wütete, stehen in der besonders schwer verwüsteten Hauptstadt der Provinz Leyte überall wacklige Hüttchen. Sie wurden dort erbaut, wo die Sturmflut am 8. November Tausende Menschen in den Tod gerissen hatte – dicht am Meer.

An anderer Stelle wurden vom Staat zwar Übergangsheime aus Spanholzplatten errichtet. Hier bekommen vielköpfige Familien einen zwei mal drei Meter großen Raum ohne jegliche Einrichtung zugewiesen. Der Andrang auf diese Baracken ist gering.

Die Ausweisung von Siedlungsgebieten mit Sicherheitsabstand zum Meer und der Bau widerstandsfähiger Häuser sind Grundpfeiler des RAY genannten Wiederaufbauplans, den Präsident Benigno S. Aquino jüngst Vertretern von mehr als 70 Nationen und internationalen Hilfsorganisationen vorstellte. Dabei zog er nochmals Bilanz: Fast 8.000 Menschen fielen dem Taifun zum Opfer, 4,4 Millionen Menschen wurden obdachlos, noch mehr verloren ihre Einkommensquelle.

Der Wiederaufbau ist eine Herkulesaufgabe, dem das südostasiatische Entwicklungsland allein nicht gewachsen ist. Aquino bat denn auch offen um finanzielle Hilfe. Für den auf vier Jahre angelegten Aufbau benötige man etwa 6 Milliarden Euro. Aquino verspricht, das Geld vor allem in ein „build back better“-Konzept zu stecken.

„Wir müssen endlich dem Zyklus aus Zerstörung und Wiederaufbau entkommen. Wir müssen widerstandsfähigere Häuser an anderer Stelle errichten“, betonte Aquino, wissend, dass er etwa in Tacloban mit seinem Plan schon zu spät kommen könnte.

Weitere Schwerpunkte des Masterplans sind die Wiederbeschaffung von Fischerbooten, die Aufforstung zerstörter Kokosnussplantagen, die Neupflanzung von Zuckerrohr- und Reisfeldern. Kurzfristig soll den erwerbslos gewordenen Fischern und Bauern mit „cash for work“-Programmen geholfen werden.

Auf dem Papier liest sich das alles gut. Doch ist zu befürchten, dass es wie so oft auf den Philippinen zwischen Theorie und Praxis eine große Kluft geben wird.

Was sich in den Wochen nach dem Taifun abspielte, gibt davon bereits einen Vorgeschmack. Während sich in der mit Flugzeugen zu erreichenden Provinzhauptstadt Tacloban internationale Hilfsorganisationen drängeln, warten Bewohner abgelegener Gebieten offenbar vergeblich auf Unterstützung. „Wir sind so ab vom Schuss, hier ist nichts angekommen“, erzählt Elesio A. Camorista. Der 58-Jährige ist Ortsvorsteher der Gemeinde Cadaohan mit 1.300 Bewohnern, die auf der Westseite der Insel Leyte liegt.

„Letztlich hat es jeden von uns erwischt“, sagt Camorista, „90 Prozent unserer Häuser sind beschädigt.“ Vor seinem winzigen Büro stehen zwei neue Zelte im strömenden Regen. „Eines ist von den Australiern, das andere von den Japanern. Die haben wir nach zwei Wochen bekommen. Aber erst, nachdem ich unterschrieben habe, dass wir sie unbeschädigt zurückgeben werden“, lacht der kleine Philippiner.

Es belustigt ihn, dass die Zelte kamen, „nachdem wir unsere Häuser notdürftig zusammengeflickt haben. Was hätten wir denn auch mit zwei Zelten für über 1.000 Menschen tun sollen? Jetzt stehen sie eben da draußen, bis sie wieder abgeholt werden.“

Auch in der Stadt Ormoc, die vor dem Taifun rund 200.000 Einwohner hatte und heute eine holprige halbe Stunde Fahrt entfernt von Cadaohan ist, würde mehr Hilfe benötigt. Besonders heftig hat es das einzige staatliche Krankenhaus erwischt. Einige Flügel sind komplett verwüstet, das Dach hielt dem Wind nicht stand. Die Klinik ist überbelegt und unterversorgt.

Wochen nach dem Sturm liegen noch Dutzende Patienten in den wenigen intakten Zimmern, auf den Fluren und im Foyer. Drinnen ist es drückend heiß, die Luft stinkt nach Eiter und Urin. Statt sauberer Verbände sind Halstücher oder Strümpfe um Wunden gewickelt.

Julie Catangay und Amparo Avendano sind aus Manila angereist, um Kranken und ihren Angehörigen Mut zuzusprechen. Sie sind Freiwillige der Organisation HelpAge, die sich vor allem um ältere Überlebende kümmert. „Das hier ist eine sehr anstrengende Aufgabe, aber wir tun, was wir können“, sagen die Rentnerinnen. Es ist eine Formel, die hoffentlich viele Verantwortliche in Manila beherzigen werden, um tatsächlich wie geplant bis 2017 die zerstörten Regionen wiederherzustellen.

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