: Accoona das doch mal!
Die erste europäische Suchmaschine Accoona ist gerade mit sieben Sprachen ans Netz gegangen. Gefördert von Ex-Schachweltmeister Anatoli Karpow, Bill Clinton und der VR China – und made in USA
AUS PARIS DOROTHEA HAHN
Der Slogan „erste europäische Suchmaschine“ ist irreleitend. Denn www.accoona.eu hat nicht nur ein doppeltes „o“ im Namen, sondern kommt auch aus den USA – genau wie die mächtige Konkurrenz. Prominenteste Förderer des neuen Unternehmens, das gerade mit sieben Sprachen in Europa ins Netz gegangen ist, sind der frühere US-Präsident Bill Clinton, der ehemalige sowjetische Schachweltmeister Anatoli Karpow, der seit dem Mauerfall zu Shareholder-Values konvertiert ist, und der chinesische Minister Zhao Qizheng, der mit Accoona eine Kooperation für die Olympiade von 2008 unterzeichnet hat.
Beim offiziellen Europastart von Accoona im Pariser Palais de la Découverte ist kein Vertreter des Pekinger Regimes dabei. Wohl aber AktionärInnen wie Karpow und DiplomatInnen aus den sieben westeuropäischen Ländern, deren Sprachen die Suchmaschine benutzt: Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Spanien, Portugal, Niederlande, Italien. JedEr DiplomatIn darf in Paris eine Suche in der eigenen Sprache machen. Die neue Maschine hat ein System, das Sprachen automatisch entdeckt. Anders ist auch ihre „Super Target Funktion“, mit der sie nicht nur Treffer zu den genannten Suchwörtern nennt, sondern selber weiterdenkt und logische Querverbindungen herstellt. Theoretisch kann Accoona sogar Texte vorlesen. Allerdings funktioniert diese Funktion bei der Vorstellung in Paris nicht. NutzerInnen, die das Vorlesen installieren wollen, müssen dafür nach einer Testphase auch bezahlen.
Mit Suchmaschinen lässt sich viel Geld verdienen. Im vergangenen Jahr machte die große Konkurrenz Google weltweit 6,14 Milliarden US-Dollar Umsatz (im Vergleich zu 3,19 Mrd. US-Dollar in 2004) – vor allem mit Werbung. Das kalifornische Unternehmen hat es geschafft, seine Firmennamen binnen sieben Jahren zu einem weltweit benutzten Verb zu machen: googeln. Es kontrolliert auf allen Kontinenten die Suche nach Wissen und Information. Es beherrscht die Sicht auf die Erde, zumindest aus der Satellitenperspektive (Google Earth). Und es ist dabei, die Bibliotheken der Welt zu digitalisieren. Sein Hauptkriterium ist die Masse: Je größer die Auflage eines Buchs ist, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass es von Google erfasst wird.
Konkurrierende kommerzielle Suchmaschinen hat Google systematisch verdrängt. Accoona, das seit 2004 in New Jersey arbeitet und neuerdings eine Niederlassung in Irland hat, ist der vorerst letzte Versuch. Der Name stammt aus dem Kisuaheli und bedeutet: kein Problem.
Auch politisch motivierte Initiativen für andere Suchmaschinen im Netz haben bislang wenig Erfolg. Das gilt auch für das deutsch-französische Projekt Quaero (lateinisch für: ich suche). Präsident Jacques Chirac hatte es im vergangenen Jahr angestoßen, um ein kulturelles und sprachliches Gegengewicht zu der US-Hegemonie im Netz zu schaffen. Doch Quaero kann nach gegenwärtigem Stand frühestens in fünf Jahren funktionieren. Die Deutsche Telekom hat sich bereits aus dem Projekt zurückgezogen.
Bei der Vorstellung von Accoona in Paris beschwören die ManagerInnen ein „historisches“ und „revolutionäres“ Ereignis. Doch sie bewegen sich auf den ausgetretenen Wegen des Web: Ihre Sprache ist Englisch. Ihre Ästhetik ist Google. Und ihre PartnerInnen sind Börsen, TV-Sender und Elektronikunternehmen wie Yahoo, die schon lange in der Net-Economy engagiert sind.
Wer die inhaltliche Unabhängigkeit von Accoona testen will, kann das Stichwort „4. Juni“ eingeben. Erst nach 94 anderen Antworten nennt Accoona das Massaker auf dem Tiananmen-Platz, das an diesem Tag stattgefunden hat. Selbst Google, das ebenfalls Zugeständnisse an Peking gemacht hat, ist da schneller. Es nennt das Massaker schon an zweiter Stelle.
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