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DAS MUSEUM OF MODERN ART, SEIN RIGIPS-ATRIUM UND SEINE NEUESTEN ERWEITERUNGSPLÄNESich einfach nur mal hinsetzen

Bridge & Tunnel

OPHELIA ABELER

Es berührt merkwürdig, wenn man dieselbe schockierende Nachricht zweimal erhält, im Abstand von acht Monaten. Beim ersten Mal noch forsch und unsensibel vorgetragen, beim zweiten Mal dann leicht zerknirscht: Das Museum of Modern Art in New York wird im Zuge seiner baulichen Erweiterung das ehemalige American Folk Art Museum, abgekürzt AFAM, abreißen.

Betroffen ist nicht nur das Architektenpaar Tod Williams und Billie Tsien, die das preisgekrönte Gebäude vor gerade mal zwölf Jahren gebaut haben, sondern jeder, der das kleine, ungewöhnliche Museum in der 53. Straße ins Herz geschlossen hat – darunter viele Kunst- und Architekturkritiker, die sich in diesen Tagen erneut die Finger wund schreiben.

Leider musste das hochverschuldete Museum 2011 seinen ambitionierten Neubau an das MoMA verkaufen und ausziehen. Das Gebäude ist das letzte in Townhousegröße in der Straße. Seine Fassade besteht aus Tombasil, einer Kupfer-Zink-Legierung, die hier erstmalig verbaut wurde. Verschiedene Künstler gossen einzelne Platten, die Architekten fügten sie zu einer wasserfallartigen Struktur zusammen. Innen ist der Bau verwinkelt, von vielen Treppen und Gängen durchzogen und kaum für größere Exponate geeignet.

Direkt daneben ist nun ein 84-stöckiger Turm von Jean Nouvel geplant, in dem das MoMA verschiedene Flächen bespielen wird. Letzten April hieß es zunächst, die Kupferfassade von Williams und Tsien passe nicht zur eigenen gläsernen Ästhetik. Welche Ästhetik?, mochte man da schreien. Sollte damit dieser Midtown-typische kalte Corporate-Quatsch gemeint sein? Diese Vermarktung von Glas und Stahl als „Transparenz zur Straße hin“, mit der das Museum seit seiner Erweiterung 2004 durch Yoshio Taniguchi angab, die fast eine Milliarde Dollar kostete?

Oder, um das mit den Worten der Kritiker Michael Kimmelman, Jerry Saltz oder Justin Davidson zu sagen: „Das MoMA ist zur Menschenumwälzanlage mit Rigipsatrium geworden“ – „Man fühlt sich wie in einer Shoppingmall oder in einem W Hotel“ – „Nichts sagende Räume, ermüdend, aber ohne Ruhe“ oder „Anmaßender Minimalismus“. Und alle, bis auf Jerry Saltz, sind sich einig: Das MoMA wolle in einem Akt von Vandalismus ein architektonisches Kleinod zerstören.

Nach den heftigen Protesten bedangen sich die vom MoMA mit der Erweiterung betrauten Architekten Diller Scofidio und Renfro aus, die Erhaltung des AFAM genau zu prüfen. Aber die Architekten kamen jetzt in ihrem Gutachten zu dem Schluss, das kleine Museum ließe sich auf keine sinnvolle Art erhalten oder integrieren, das Menschenaufkommen im MoMA sei einfach zu groß, es würden vernünftige Passagen benötigt.

Trotz des gigantischen Um- und Neubaus von vor neun Jahren ist das MoMA chronisch überfüllt, besonders schlimm am eintrittsfreien Freitag. Jetzt geht es um eine Erweiterung in der Größe einer Gagosian-Filiale, wie es Jerry Saltz vom New York Magazine so schön sagt. Er ist zwar der einzige Kritiker, der den Bau des American Folk Art Museum hasst, obwohl er die Kunst liebt. Schon 2010 wünschte er sich hellseherisch, das MoMA möge das AFAM kaufen, abreißen und endlich Platz für seine Sammlung schaffen. Als Saltz nun aber die Präsentation von Diller Scofidio und Renfro zur MoMA-Erweiterung besuchte, hatte auch er genug: Schon wieder seien die Räume vorwiegend dazu designt, dass „Leute anderen Leuten dabei zugucken können, wie sie anderen Leuten beim Leuteangucken zugucken“.

Tatsächlich wird die geplante Art Bay im Erdgeschoss – mit großer Glasfassade zur Straße hin – wohl kaum empfindliche Herzstücke beherbergen können, plötzlich reden alle von Performances, die stattfinden sollen. Dann könnte das MoMA aber auch einfach einen Glaskasten um das ehemalige American Folk Art Museum bauen und dieses als Exponat seiner Architekturabteilung ausstellen. Drinnen könnte man auf den vielen Treppen Lectures geben. Oder: sich einfach nur mal hinsetzen.

■ Ophelia Abeler ist Kulturkorrespondentin der taz in New York

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