piwik no script img

Mexikos Linke droht mit Protesten

Nach den Präsidentschaftswahlen liegt der konservative Calderón nur 0,65 Prozent vor seinem linken Konkurrenten López Obrador. Dieser zweifelt die Rechtmäßigkeit des Wahlvorgangs an. Nun sollen alle Stimmen noch einmal ausgezählt werden

AUS MEXIKO-STADT WOLF DIETER VOGEL

Der Kampf ums mexikanische Präsidentenamt geht in die zweite Phase. Nachdem der rechtskonservative Kandidat Felipe Calderón nach vorläufigen Ergebnissen mit nur 0,65 Prozent der Stimmen führt, hat dessen gemäßigt linker Konkurrent Andrés Manuel López Obrador nun Widerstand gegen das Ergebnis angekündigt.

Leonel Cota, der Vorsitzende der Partei der Demokratischen Revolution (PRD), für die López Obrador angetreten ist, sagte, zunächst wolle man mit der Nationalen Wahlbehörde (IFE) über Unregelmäßigkeiten während des Wahlvorgangs verhandeln. Danach seien jedoch Straßenproteste nicht auszuschließen.

Die Präsidentschaftswahl war am Sonntagabend ohne eindeutiges Ergebnis zu Ende gegangen. IFE-Sprecher Luis Carlos Ugalde wollte keinen Sieger verkünden, da die Summen der Stimmen für beiden Konkurrenten sehr eng beieinander lägen. Er wollte die Ergebnisse erst nach Auszählung aller Stimmen und notfalls einer Nachzählung bekannt geben.

Zu diesem Zeitpunkt hatte Calderón von der Partei der Nationalen Aktion (PAN) noch mit gut einem Prozentpunkt vorne gelegen. Am Dienstagabend trennten López Obrador nur noch 257.000 Stimmen von Calderón. Nach mexikanischem Wahlrecht gewinnt der Kandidat, der über die einfache Mehrheit verfügt. Ein zweiter Wahlgang ist nicht vorgesehen.

Bereits am Montagabend ging López Obrador in die Offensive: Drei Millionen Stimmen seien verloren gegangen, erklärte der PRD-Kandidat. In einer Pressekonferenz zeigte er das Foto einer Wahlurne, in die nach Angaben seiner Anhänger 188 Stimmen für ihn eingegangen seien. Bei der IFE seien jedoch später nur noch 88 angekommen, kritisierte López Obrador.

Zudem wurden nach Angaben der linken Tageszeitung La Jornada in einem Armenviertel am Rande von Mexiko-Stadt Wahlurnen und weitere Unterlagen der IFE auf einer Müllkippe gefunden. „Ich habe das Recht, einen transparenten Prozess einzuklagen“, erklärte López Obrador.

Der PRD-Mann hatte schon am Sonntagabend erklärt, er habe nach Informationen seiner Partei mit über 500.000 Stimmen Vorsprung gewonnen, während sich der Konservative Calderón ebenfalls zum Sieger erklärte. Daraufhin hatten tausende von PRD-Sympathisanten auf dem zentralen Platz der mexikanischen Hauptstadt „Nein zum Wahlbetrug“ gerufen.

Die Befürchtung ist angesichts der Geschichte des Landes nicht ganz unberechtigt. Die über 70 Jahre lang regierende Partei der Institutionellen Revolution (PRI) hatte sich nur mit Wahlbetrug an der Macht halten können. PRD-Gründer Cuauthémoc Cárdenas war 1988 durch solche Betrugsmanöver vom Präsidentenamt abgehalten worden. Am Sonntag landete der PRI-Kandidat Roberto Madrazo abgeschlagen auf Platz drei. Die Wahlen seien korrekt verlaufen, erklärte Madrazo. Um Klarheit zu schaffen, sollen nun alle Stimmen von Hand ausgezählt werden. Das wird nach Angaben der IFE bis zum Wochenende dauern.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen