: Brigitte Werneburg schaut sich in den Galerien von Berlin um
An der Wand des Ausstellungsraums bei Klara Wallner hängen sechs mittelgroße Schwarz-Weiß-Aufnahmen. Die chinesische Künstlerin Kexin Zang hat sie während einer Performance von ihrem Publikum aufgenommen. Dabei hatte die Künstlerin Münzen geworfen, mit denen sie Hexagramme für das I Ging erstellte. Sie befragte das Orakel, um so zu ermitteln, wie sie sich mit ihrer Plattenkamera im Raum bewegen und dabei fotografieren sollte. Das Publikum erhielt nur den Hinweis, wer lange stillhalte, werde klar zu erkennen sein, wer sich bewege, dagegen nur verschwommen. Das hatte mit der langen Belichtungszeit der Plattenkamera zu tun. Kexin Zang fand das Mittel des I Ging, um neue Wege zu gehen mit ihrer Fotografie, die keine Autorenfotografie mehr ist und damit auch keine klassische Porträtfotografie, obwohl die Serie der sechs Fotografien ganz erstaunlich intime, gleichzeitig lebendige Haltungen und Gesten der Fotografierten zeigt – wie sie sonst nur in langem vertrauten Umgang miteinander entstehen. Das Rätsel des Rats des Buchs der Wandlungen.
Zwei Künstler, die vor allem für ihre Begabung für große Freundschaften mit anderen Künstlern berühmt sind, zeigt zurzeit die Bourouina Gallery: Der Fotograf Benjamin Katz und der Boss der Paris Bar Michel Würthle haben sich zu einer ebenso aufschlussreichen wie charmanten Ausstellung zusammengetan. Ihr künstlerischer Dialog bewegt sich auf intimen Abwegen: Statt der großartigen Porträts seiner Künstlerfreunde zeigt Benjamin Katz Stillleben aus deren Alltag wie Weinflaschen im Abfalleimer und Teller mit abnagten Wachtelgerippen, während Michel Würthle seinerseits nicht nur gemeinsam mit Damien Hirst collagiert, sondern hinreißende Zeichnungsstorys von griechischen Inseln und rasante Bilderbögen voll pornografischer Extravaganzen zeigt.
■ Kexin Zang: „The Calculated Chance III“. Galerie Klara Wallner, Tempelhofer Ufer 36, bis 31. Juli, Di–Sa 12–18 Uhr
■ Katz + Würthle: „Les Deux Magots“. Galerie Amel Bourouina, Charlottenstr. 1–2, bis 30. Juli, Di–Sa 11–18 Uhr
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