piwik no script img

Gegenwind für Handelskammer

WIRTSCHAFT Mehrheit der Unternehmer ist mit der Vertretung ihrer Interessen gegenüber Politik und Verwaltung unzufrieden. Initiative fordert Reformen

Die Zwangsmitgliedschaft in der Handelskammer stößt immer wieder auf Kritik

Die Handelskammer kommt ihren Kritikern entgegen. Wie Hauptgeschäftsführer Hans-Jörg Schmidt-Trenz bei der Jahrespressekonferenz am Dienstag mitteilte, will sie in diesem Jahr den Umlagesatz für ihre Mitgliedsbetriebe senken und ihnen außerdem 15 Prozent der Beiträge für 2013 zurückerstatten. Eine Umfrage hatte ergeben, dass die Hälfte der Mitglieder mit dem Preis-Leistungsverhältnis zufrieden ist. Bei der laufenden Wahl zum Plenum der Kammer wirbt eine Initiative mit der Forderung, einen Jahresbeitrag zurückzuerstatten und sich bei politischer Einmischung differenzierter zu äußern.

Die Handelskammer ist eine Körperschaft öffentlichen Rechts, in der alle Gewerbetreibenden und Firmen Mitglied sein müssen, die nicht in den Zuständigkeitsbereich der Handwerkskammer fallen. Die Kammer kümmert sich um politische Themen, die die Wirtschaft betreffen, berät Firmengründer und Unternehmen und nimmt die Prüfungen im Rahmen der Dualen Berufsausbildung ab.

Die Zwangsmitgliedschaft stößt immer wieder auf Kritik – schließlich müssen die Firmen dafür einen Teil ihres Ertrages abgeben. In Hamburg sind das künftig 0,22 Prozent. 2010 waren es noch 0,31 Prozent. „40 Prozent unserer Mitglieder sind von jeglichen Beitragszahlungen freigestellt“, sagte Schmidt-Trenz.

Nach Ansicht der Initiative „Die Kammer sind wir!“ ist das Finanzpolster der Kammer mit mehr als 50 Millionen Euro so dick, dass sie ihren Mitgliedern einen ganzen Jahresbeitrag zurückerstatten könnte: Die Rücklage für einbrechende Einnahmen sei viel zu groß, ebenso die für die Sanierung des 170 Jahre alten Kammergebäudes. Jeweils eine Million Euro für das Archiv und das 350-jährige Jubiläum im kommenden Jahr zurückzulegen, könne sich die Kammer sparen. Richtig sei dagegen die Rücklage von einer Million Euro für ein Azubi-Wohnheim.

Die Kammer hat nämlich festgestellt, dass die Hälfte der Hamburger Lehrlinge von außerhalb kommt und viele sich schwertun, eine Unterkunft zu finden. Die Million soll helfen, die vorgeschriebene pädagogische Betreuung für die Minderjährigen unter ihnen zu finanzieren.

Laut der Umfrage sind 67 Prozent der Mitglieder sehr oder eher zufrieden mit der Kammer. 76 Prozent würden anderen bestimmt oder wahrscheinlich raten, sich an die Kammer zu wenden. Im Bundesdurchschnitt der Industrie- und Handelskammern sind es 80 Prozent. Nur 41 Prozent sind mit der Vertretung ihrer Interessen gegenüber Politik und Verwaltung zufrieden. „Die Kammer sind wir!“ findet das zu wenig.  GERNOT KNÖDLER

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen