Die einzigen Fans der Gesundheitsreform

Die niedergelassenen Ärzte befürworten die Regierungspläne, weil sie mehr Geld erhalten sollen

BERLIN taz ■ Die niedergelassenen Ärzte freuen sich: die Budgetgrenzen für die Vergütung ihrer Leistungen sollen im Zuge der Gesundheitsreform fallen. Die Gunst der Stunde nutzend, stellte die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) gestern ein eigenes Konzept zur Honorarreform vor und forderte mindestens 20 Prozent mehr Geld für die Arztpraxen. Dies entspricht etwa 4,5 bis 5 Milliarden Euro, die ab dem Jahre 2009 zusätzlich zu den bisherigen 23 Milliarden jährlich von den Krankenkassen zur Verfügung gestellt werden müssten. Bereits im nächsten Jahr sollten die Ausgaben für die Niedergelassenen um 2,3 Milliarden Euro aufgestockt werden, verlangte der Vorstandsvorsitzende der KBV, Andreas Köhler. „Das ist das absolute Minimum.“

Die Aufhebung der Budgetierung sei Voraussetzung für eine weitere paradigmatische Veränderung bei der Honorierung der Vertragsärzte, sagte Köhler. Die Ärzte, die bisher für jeden medizinischen Handgriff Punkte gutgeschrieben bekamen, sollen künftig je nach Diagnose eine feste Pauschale in Euro erhalten. Solche Fallpauschalen, wie sie bereits im Krankenhaussektor existieren, wollen sowohl Gesundheitsreformer als auch Ärzteschaft einführen. Anders als die Punkte sollen diese Pauschalen bundesweit einheitlich viel wert sein, wobei Ärzte, die mehr schwerkranke Patienten behandeln, einen Zuschlag erhalten. Das so genannte Morbiditätsrisiko müssen damit nicht mehr die Mediziner selbst tragen, sondern die Krankenkassen. Die KBV verspricht sich davon eine bessere Versorgung der Patienten: „Ärzte, die vor allem ihren Beruf ausüben, werden belohnt, verlieren werden Ärzte, die eher die Gebührenordnung behandeln als den Patienten“, so Köhler.

Auch regionale Unterschiede sollen berücksichtigt werden, schlägt die KBV analog zu den Fachpolitikern, die das Eckpunktepapier erarbeiteten, vor. So sollen Ärzte in unterversorgten Gebieten, etwa in Sachsen, mehr Geld erhalten als Mediziner in München, wo die Zahl der Praxen den Bedarf um das Drei- bis Fünffache übersteigt. Ein entscheidender Anreiz für Ärzte, sich lieber in München niederzulassen, wird aber nicht beseitigt: Ärzteschaft und Unionspolitiker verteidigen die Möglichkeit, für einen privat Versicherten mehr zu kassieren als für den gesetzlich Versicherten. Privatversicherte sind in den neuen Bundesländern rar.

Gänzlich unklar ist, aus welcher Quelle das Geld für die Ärzte kommen soll. „Im Eckpunktepapier zur Gesundheitsreform können wir keine nachhaltige Finanzierung erkennen“, meinte Köhler. Zusätzliche Steuermittel fürs Gesundheitssystem lehnt die Union ab. Auch die Beitragserhöhung um durchschnittlich einen halben Prozentpunkt, die im nächsten Jahr ansteht, ist schon verplant – damit soll das 7-Milliarden-Defizit der Krankenkasse gedeckt werden.

„Ohne weitere Beitragserhöhungen ist das nicht zu finanzieren“, meint Manfred Partsch vom AOK-Bundesverband. Er befürchtet zudem einen Kostenschub durch die Umstellung auf Fallpauschalen. „Auch im Krankenhaussektor gibt es die Tendenz, vermehrt teure Diagnosen abzurechnen“, warnt Partsch.