Off-Kino: Filme aus dem Archiv – frisch gesichtet
Ein überaus bizarres Werk zeigt uns das diesjährige Ethno-Filmfest im Ethnologischen Museum: Die aus einer Fernsehserie hervorgegangene estnische Zeichentricksatire „Frank & Wendy“ erzählt in episodischer Manier und mit simpler Animation von den Abenteuern zweier extrem inkompetenter FBI-Agenten, die in Osteuropa zum einen Nazizwerge in der Wurstfabrik und zum anderen den Kommunismus bekämpfen. Dabei radieren die Amis versehentlich ganze Länder aus – und zwar immer die falschen. Aber es ist ja auch wirklich schwierig, die ganzen Staaten alle auseinander zu halten. Doch der Einsatz von „Frank & Wendy“ ist dringlich vonnöten, drohen doch kommunistische Robben in Amerika die Kanalisation zu verstopfen, so dass die Vereinigten Staaten in Scheiße zu ersaufen drohen …
Weniger verschroben, jedoch ebenfalls sehr fantasievoll kommt Hayao Miyazakis „Das Schloss im Himmel“ (1986) daher: Das Anime um die schüchterne Sheeta, die unwissentlich die Thronerbin des mythischen Himmelkönigreichs Laputa ist und deshalb von finsteren Regierungsbeamten, Militärs und einer Piratenfamilie verfolgt wird, erweist sich wie alle Miyazaki-Filme als ein wunderbar detailliertes Kunstwerk mit einer sehr reflektierten Haltung zu Schrecken und Schönheit moderner Technologie. Die Abenteuer mit vielfältigen und spektakulären Actionsequenzen, die Sheeta und ihr Freund Pazu erleben, machen „Das Schloss im Himmel“ auch zu einem Abenteuerfilm für Jungen, was im Gesamtwerk des Frauenverstehers Hayao Miyazaki durchaus eine Ausnahme darstellt. Entscheidend ist für Miyazaki jedoch stets die Selbstlosigkeit des Handelns seiner Hauptfiguren: Weil den Kindern die Gier der Erwachsenen nach Macht und Geld vollkommen fremd ist, legt der japanische Regisseur am Ende nichts weniger als die Rettung der Welt in Sheetas Hände. Für Hayao Miyazaki ist diese erste Produktion seines Studio Ghibli noch immer sein Lieblingsfilm: ein überaus komplexes Werk, das in seinem Finale mit dem riesigen, am Himmel schwebenden Baum, der die totale Zerstörung Laputas überstanden hat, ein treffendes Bild für den leisen Optimismus liefert, den sich der Autor trotz aller Skepsis gegenüber dem menschlichen Hang zur Destruktion bewahrt hat.
Im Jahr 1999 dokumentierte Wim Wenders ein Musikprojekt seines Freundes Ry Cooder und schuf mit „Buena Vista Social Club“ seinen kommerziell vermutlich erfolgreichsten Film: Ry Cooder hatte eine Platte mit alten kubanischen Son-Musikern aufgenommen, deren überraschender Erfolg zu vielen gemeinsamen Konzerttourneen durch ganz Europa und Nordamerika führte – die älteren Herrschaften waren plötzlich Stars. In Wim Wenders’ „Buena Vista Social Club“ erzählen sie aus ihrem Leben und von ihrer Beziehung zu ihren Instrumenten; dabei spürt man ihren Spaß am Musizieren, ihre Lässigkeit im Umgang mit der Musik und der Popularität, aber auch die Genugtuung, endlich einmal die verdiente Anerkennung zu finden. Lars Penning
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