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neues aus neuseeland: rugbystar mit handtasche verprügelt von ANKE RICHTER

Was für den Fußball gilt, gilt fürs Rugby erst recht: Die großen Dramen des Sports spielen sich jenseits vom Platz ab. Nach dem Spiel ist vor dem Spiel, und dazwischen brodelt es. Wer so viel Testosteron besitzt wie die Spieler der Nationalmannschaft „All Blacks“, dem kann dann schon mal die Hutschnur platzen. Oder das Handtäschchen.

Als die Hurricanes aus Wellington kläglich gegen die Crusaders aus Christchurch verloren, da kam, was kommen musste: Die geschlagenen Kämpfer kippten sich zur späten Stunde in der Tränke „Jolly Poacher“ die Birne zu, um den Schmerz zu nullen. Um 7 Uhr morgens stolperte Stürmer Chris Masoe auf dem Weg zum Klo im Barbereich über ein Paar Füße. Statt sich zu entschuldigen, hieb er dem Tresennachbarn mit den langen Beinen die Faust ins Gesicht. Was dann passierte, hat bereits Rugby-Geschichte geschrieben. Es ist in TV-Sketchen und Heimvideos nachgestellt worden. Es wird neuseeländischen Gören als Gutenacht-Geschichte erzählt, um Lachen und Staunen in die Kinderseelen zu zaubern.

Und so geht die wahrhaftige Mär: Tana Umanga, ehemaliger Mannschaftskapitän der All Blacks und prominentester Rugbystar des Landes, holte mit einer Damenhandtasche aus, die auf dem Tresen gelegen hatte, und hieb sie Chris Masoe mehrfach über den Kopf. Es knackte hörbar, als in der Tasche ein Handy zu Bruch ging. Masoe brach in Tränen aus. Ein Tumult entstand. Der Verprügelte wurde zur Hintertür hinausgeführt. Und die junge Frau, deren schwarzes Täschchen der Marke „Roxy“ so böse zweckentfremdet wurde, wusste, dass ihre goldene Stunde geschlagen hatte. Bereits am nächsten Tag waren die Rowdies nicht nur das Gespött der Nation, sondern das Corpus Delicti zur Versteigerung im Internet. 50 Dollar und wenig Geschmack hatte es seine Besitzerin seinerzeit gekostet. 22.750 Dollar erzielte es bei der Online-Auktion. Eine ältere Dame erstand es als Zwischenhändlerin für eine Person, die unerkannt bleiben wollte. Wer eine solche Summe für ein unkleidsames Aufbewahrungsutensil aus Kunstleder ausgibt, an dem lediglich symbolisch Blut klebt, für den gibt es nur eine Entschuldigung: Das muss Kunst sein. Kenner der neuseeländischen Kunstszene tippen auf Merylyn Tweedie, besser bekannt unter ihrem Pseudonym „et al“. Die Installationskünstlerin machte sich im letzten Jahr recht unbeliebt, weil ihr Werk „The Fundamental Practice“ auf der Biennale in Venedig von ihren Landsleuten als „elitär“ angesehen wurde. Dazu muss man wissen, dass fast alles als elitär gilt, was nicht Farnwedel, Muscheln, Maori-Wörter und ein Buschhuhn in Öl und Essig abbildet – das antipodische Gegenstück zum röhrenden Hirsch, aber ohne eine Spur Ironie.

Künstlerin Tweedie, versiert im Arrangieren von Metallzäunen und Computern, wird das Roxy-Täschchen auf der nächsten Weltausstellung gekonnt zwischen Bierdeckeln zu drapieren wissen. Vielleicht lugt das lädierte Handy noch heraus, und ein Katalog-Text wird uns über Männlichkeit/Weiblichkeit, den irrationalen Wert käuflicher Dinge und die Verletzlichkeit der Technologie des 21. Jahrhunderts informieren. Ob die Kunst das Leben imitiert oder umgekehrt, das ist dann eh et al.

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