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Verleger in Verlegenheit

DREISTUFENTEST Nicht alle Rundfunkräte winken Depublikation durch

Das hatten sich Verleger und Privatsender sicher anders vorgestellt. Auf den Druck ihrer Lobbyisten hin hat die Medienpolitik für die Webseiten von ARD und ZDF irre aufwendige Prüfungen in die Gesetze geschrieben. Seit Monaten schon durchlaufen die Portale von tagesschau.de über sport.zdf.de bis hin zu kikaninchen.de deshalb Monsterverfahren wie den Dreistufentest (eine präzise Erklärung würde die ganze Seite füllen).

Derzeit deaktivieren also ARD und ZDF große Teile ihrer Netzinhalte. Im Zuge dieser Depublikation verschwinden etwa von der Seite der „Tagesschau“ gut 80 Prozent und von der der Sportredaktion des ZDF sogar 92 Prozent der Einträge. Da sitzen also gebührenfinanzierte Mitarbeiter, um im Web zu killen, was mit Gebühren bezahlt wurde.

Das Problem dabei ist aber, dass dieser Schuss teils nach hinten losgeht. Die Kontrollgremien der Sender, in denen neben Politikern Gewerkschafter und Kirchen- wie Verbandsfunktionäre sitzen, winken die mächtige Depublikation, die sich die Sender in umfangreichen Konzepten selbst auferlegen mussten, nicht immer einfach nur durch. Weil sich die Rundfunkräte erstmals auch intensiv mit der Frage beschäftigen, wie ARD und ZDF online, verglichen mit den Privaten, dastehen, sorgen sie dafür, dass nicht nur eingestampft, sondern teils sogar aufgebaut wird.

So stellte der SWR-Rundfunkrat, der das Portal ARD.de geprüft hat, fest: Die Seite hat ja nur einen Marktanteil von 0,2 Prozent, wird also gefühlt überhaupt nicht wahrgenommen. Nun soll die Redaktion von ARD.de wachsen – ihr Budget dafür von mageren 2,2 auf immerhin 3,5 Millionen Euro pro Jahr.

Viel zu viel? Keine Sorge, denn die Verleger werden auch das nicht einfach hinnehmen. Ihr oft unsäglich agitierender Verband BDZV sagte bereits zu den aus ihrer Sicht von den Gremien bloß „abgenickten“ Prüfungen der Depublikationskonzepte: „Das wird wieder ein Thema für Brüssel.“ DANIEL BOUHS

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