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Mit allen Mitteln

JÜDISCHE GEMEINDE STREITET

Der Opposition hilft genau genommen eigentlich gar nichts

Was ist eigentlich das Gegenteil von einer Win-win-Situation? Eine Lose-lose-Situation? Anders kann man wohl kaum beschreiben, in welcher Lage die Streitparteien in der Jüdischen Gemeinde zu Berlin sind. Man müsste sogar eigentlich von Lose-lose-lose-Situation reden, denn nicht nur die beiden gegnerischen Lager können aktuell keinen Ausweg aus der verfahrenen Situation mehr finden, auch die Gemeinde als Ganzes hat nur Nachteile aus dem lange währenden Konflikt.

Eine oppositionelle Initiative hat Unterschriften für Neuwahlen zum Gemeindevorstand gesammelt, und nun will das Präsidium der Repräsentantenversammlung die Gültigkeit dieser Unterschriften mit einer schriftlichen Nachbefragung prüfen. Damit wird es ihm zwar ziemlich sicher gelingen, den Antrag auszuhebeln, denn wer auf die erneute schriftliche Nachfrage nicht antwortet, dessen früher abgegebene Stimme gilt als ungültig.

Einen Gefallen tut sich die Gemeinde damit aber nicht. Denn diese ungewöhnliche, weder von der Satzung verlangte noch bei anderen demokratischen Basisbefragungen übliche Methode sieht so offenkundig nach einem Trick aus, dass sie der Darstellung der Opposition, die amtierende Gemeindeleitung arbeite undemokratisch, einiges an Glaubwürdigkeit verleiht.

Der Opposition hilft das trotzdem nicht. Genau genommen hilft ihr eigentlich gar nichts: Einen Schiedsausschuss, den sie zur Klärung des Streits anrufen könnte, gibt es in der Jüdischen Gemeinde längst nicht mehr – er ist selbst schon Opfer der Uneinigkeit geworden. Und staatliche Gerichte sind für die Klärung von Auseinandersetzungen in anerkannten Religionsgemeinschaften nicht zuständig.

Laut der Konfliktforschung hilft bei Eskalationsstufe 3 „lose-lose“ nur noch der Schiedsspruch von außen. Den kann und wird es im Falle der Jüdischen Gemeinde nicht geben. Die nächste Eskalationsstufe heißt den Forschern zufolge „Zersplitterung.“ ALKE WIERTH

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