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Wenig Freude auf Wiener Aids-Konferenz

ÖSTERREICH Mehr Mittel für Krankheitsbekämpfung gefordert. Die Ausbreitung von HIV-Infektionen in Russland und in Zentralasien ist alarmierend. Vertreter der Region glänzen jedoch durch Abwesenheit

WIEN taz | „Mehr Geld!“ Solche Appelle, den Global Fund gegen Aids, Tuberkulose und Malaria zu füllen und aufzustocken, garnieren immer wieder die Veranstaltungen auf der 18. Internationalen Aids-Konferenz in Wien. Eine Aktionstheatergruppe, die unter Sirenengeheul eine vermeintliche Intensivpatientin ins Pressezentrum schob, erinnerte Donnerstag die Regierungen der Welt mit dem Slogan „Gebrochene Versprechungen töten“ an ihre Finanzierungszusagen.

Veranstalter Österreich trägt zwar nichts zum Globalen Fonds bei, doch bietet es Platz für öffentlichkeitswirksame Initiativen. Am Mittwochabend war der barocke Garten des Schlosses Belvedere Schauplatz eines Happenings. Rund 3.000 Menschen platzierten sich paarweise auf einer riesigen roten Aids-Schleife, um einander drei Minuten und 25 Sekunden zu den Klängen von „Kiss Me“ der Band Sixpence None The Richer zu küssen.

Im Konferenzzentrum hat man weniger Spaß. Dem Ziel, die Ausbreitung von HIV-Infektionen in Osteuropa und Zentralasien einzudämmen, ist man wenig nähergekommen. „Ich sehe keine Drogenkonsumenten oder Politiker aus den betroffenen Ländern“, klagt Dascha Ocheret vom Eurasian Harm Reduction Network (EHRN). Außer zwei Duma-Abgeordneten aus Russland und dem Gesundheitsminister von Kasachstan hat sie keine Politiker aus der Schwerpunktregion gesehen. In Russland ist Methadon als gefährliche Droge verboten, obwohl die meisten Neuinfektionen dem Gebrauch verschmutzter Nadeln zuzuschreiben sind. Die wissenschaftlich fundierte Einsicht, dass Substitutionsprogramme die Infektionsgefahr minimieren, würden geleugnet.

Julio Montaner, Chef der International Aids-Society, rief erneut zum Unterzeichnen der Wiener Erklärung auf, die auch die Entkriminalisierung von Drogenabhängigen postuliert. Unter den fast 13.000 Unterzeichnern finden sich Nobelpreisträger und drei ehemalige lateinamerikanische Präsidenten.

Mehr Erfolg könne man in Afrika sehen, wo in manchen Ländern die Infektionsrate um 40 Prozent gesunken sei, meint Sahlu Haile, der für die private David and Lucile Packard Foundation das Programm für reproduktive Gesundheit und Familienplanung in Afrika südlich der Sahara leitet. Er bedauert aber, dass die Konzentration der Gelder auf Aids-Bekämpfung das Budget für Familienplanung austrockne. 70.000 Frauen sterben auf dem Kontinent jährlich an illegalen Abtreibungen. RALF LEONHARD

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