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Eine Stadt hebt ab

Im Wettbewerb um den weltgrößten Weltraumkongress hatte die indische Konkurrenz das Nachsehen. Gewonnen hat Bremen – dank „Prime Minister“, Sektempfang und selbst gedrehtem Video

aus Bremen Armin Simon

Der Streifen dauert 15 Minuten. Zusammengeschnitten am Uni-Computer, aus dem Werbematerial Bremer Firmen und der Touristik-Zentrale, das Storyboard hat ein Diplom-Betriebswirt geschrieben, das Budget, selbst gedrehte Szenen inklusive, lag bei rund 3.000 Euro. Weltkulturerbe-Rathaus, Weser-Promenade, Beck’s-Bier tauchen auf, dass die Straßenbahn hier zum Flughafen fährt und dass die Bremer Uni schon fast „Elite“ ist, „top-ten-university“. Das versteht man auch auf der anderen Seite der Welt. Die Kampfabstimmung in Peking, auf dem COSPAR-Council, geht eindeutig aus: 28 von 47 Delegierten der weltgrößten Vereinigung von RaumfahrtwissenschaftlerInnen stimmen für Bremen als Austragungsort des 38. COSPAR-Kongresses im Juli 2010, nur 19 für die einzige Konkurrentin, die indische Stadt Delhi. Die Entscheidung sei „die erneute Bestätigung für den exzellenten internationalen Ruf, den Bremen als ein Zentrum der europäischen Raumfahrtforschung inzwischen erreicht hat“, kommentierte Bürgermeister Jens Böhrnsen (SPD).

Bremen sei der einzige Standort in Deutschland, an dem Trägersysteme, Raumlabore und Satelliten zugleich gebaut und entwickelt würden, preist Gerhard Schneider, vom Bremer Senat im vergangenen Jahr zum – wohl bundesweit einzigen – Landes-Koordinator für Luft und Raumfahrt ernannt. Die EADS-Tochter Astrium baut hier die Oberstufen der Ariane-Trägerraketen, die vom südamerikanischen Kourou (Französisch Guyana) aus Satelliten ins All tragen, das Weltraum-Labor „Columbus“, das seit einigen Monaten auf dem US-Weltraumbahnhof Cape Canaveral auf einen Lift zur internationalen Raumfahrtstation ISS wartet, ist nicht nur „Made in Bremen“, sondern soll auch von hier aus ferngesteuert und gewartet werden. OHB Systems AG, Firmensitz Bremen, entwickelt neben fliegenden Militärapparaturen auch zivile Satelliten aller Art. Erst im Oktober träumten Branchenvertreter und Astronauten auf einer Pressekonferenz in Bremen öffentlich von einer Mondstation „Made in Germany“ – ein Plädoyer für ein „neues Leitprojekt“ wider schrumpfende Raumfahrt-Etats.

Die Bremer Universität unterhält das Zentrum für Angewandte Raumfahrtforschung und Mikrogravitation (ZARM), das durch seinen Fallturm, der wie eine Nadel 146 Meter in den Himmel ragt, zu einem Wahrzeichen wurde. An seinem Fuß – das war bis Sonntag der jüngste Coup der Bremer Weltall-Akquisiteure – soll Ende des Jahres, mit Millionen vom Bund finanziert, das neue Raumfahrtinstitut der Deutschen Gesellschaft für Luft- und Raumfahrt (DGLR) entstehen, an dem bis zu 200 WissenschaftlerInnen Raumfahrttechnologien, orbitale Systeme, zukünftige Raumtransportsysteme sowie wissenschaftliche und kommerzielle Raumfahrtanwendungen entwickeln sollen. Insgesamt, so Schneider, werde die Branche im Städtestaat an der Weser dann rund 1.700 Beschäftigte zählen.

Ausschlaggebend für den Zuschlag in Peking war all dies allerdings nur in geringerem Maße. „Raumfahrt-inhaltliche Dinge spielten für unsere Bewerbung eigentlich gar keine Rolle“, räumt Peter von Kampen, Managing Director der Fallturm-Betriebsgesellschaft, Storyboard-Autor des Werbefilmchens und einer der Initiatoren der Kandidatur ein, allenfalls wohl stimmender „background“. Eher schon überzeugte die Delegierten, dass die Experten vom ZARM bereits 2003 in Bremen den „54th International Astronautical Congress (IAC)“ ausrichteten, die zweite bedeutende Versammlung der weltweiten Weltraum-Gemeinde. Dass die Vorsitzende des deutschen COSPAR-Länderausschusses, Gerda Horneck, im COSPAR-Vorstand sitzt. Dass der Vertreter der DGLR, der deutschen Raumfahrtagentur, öffentlich für Bremen als Tagungsort plädierte. Dass nach Peking in diesem Jahr und Montreal (2008) im Jahr 2010 wieder ein Kongressort in Europa angesagt war. Und natürlich, dass Bürgermeister Böhrnsen am Abend vor der Abstimmung sämtliche stimmberechtigten Delegierten zum Empfang lud und bei der offiziellen Präsentation am Sonntag als „Prime Minister“ Eindruck schindete. „Das zeigt, dass hier Leute sind, die das wirklich wollen“, sagt von Kampen. 100.000 Euro ließ das notorisch klamme Land für die seit fast zwei Jahren vorbereitete Bewerbung springen.

Für von Kampen eine lohnende Ausgabe. Schließlich ziehe der Kongress mit seinen über 1.000 Vorträgen gut 2.500 WissenschaftlerInnen an, die mitten in der Sommerflaute für eine Woche die Hotelbetten füllen werden. Und er setze „ein sichtbares Zeichen weltweit“ für Bremen als Wissenschaftsstandort.

Die Raumfahrt-Akquisiteure von der Weser konnten gestern übrigens gleich den nächsten Erfolg verbuchen. Nach Angabe des Rathauses unterzeichneten sie ein „Memorandum of Understanding“ für ein deutsch-chinesisches Raumfahrtprojekt. Mit Bremer Beteiligung.

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