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Spannung in Berlin, Hochspannung in Biblis

ATOMAUSSTIEG Während es in Hessen knistert, fordert Horst Seehofer unbefristete AKW-Laufzeiten

Der Störreaktor liefert seit 1976 Strom. Die Frage ist jetzt: Wie lange noch?

BERLIN taz | Der eine wollte gerade kuscheln, da teilt der andere schon wieder aus: Am Freitag erst wollte Bundesumweltminister Norbert Röttgen (CDU) ein Entspannungssignal im Hinblick auf den Streit um längere AKW-Laufzeiten senden, schon fährt CSU-Chef Horst Seehofer ihm steil in die Parade.

„Der Maßstab, ob und wie lange ein Kernkraftwerk läuft, muss doch zuallererst die Sicherheit sein“, sagte Seehofer am Samstag in der Frankfurter Rundschau – und zog damit eine grundsätzlich unbefristete Laufzeit von Atomkraftwerken in Erwägung. Erregungsfaktor Nummer zwei: Die Atomkonzerne, meint Seehofer außerdem, sollten künfig nicht weiter belastet werden. Die Bundesregierung plant derzeit, die durch den Atomausstieg begrenzten Laufzeiten der deutschen Atommeiler zu verlängern.

Wie weitgehend diese Verlängerung wirken soll, darüber gibt es auch innerhalb der Koalition Streit. Erst am Freitag hatte Umweltminister Röttgen mit LandesministerInnen über die Zukunft der Atomenergie beraten und für moderate Laufzeitverlängerungen geworben.

Dafür erhielt er auch am Wochenende Rückendeckung aus dem schwarz-gelben Lager: Der umweltpolitische Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion Michael Kauch forderte Seehofer auf, sich nicht einseitig „für die Interessen von vier Stromkonzernen“ einzusetzen. Auch der sächsische Ministerpräsident Stanislaw Tillich (CDU) sagte, er sehe die Verlängerung der Laufzeiten kritisch. Scharfe Kritik am Seehofer-Vorstoß gab es auch aus der Opposition.

Während PolitikerInnen ihre Spannungen pflegten, kam es am Freitag zu einem Zwischenfall im Atomkraftwerk Biblis. Wie das hessische Umweltministerium am Samstag mitteilte, wurde dort bei Wartungsarbeiten im Block B des Kraftwerks unvorhergesehen die Stromversorgung kurzzeitig unterbrochen. Ein Teil des Notfallsystems sei für etwa eine Minute ohne Strom gewesen. In Biblis steht mit dem 1974 ans Netz gegangenen Reaktorblock Biblis A der älteste Reaktor Deutschlands. Der Reaktor Biblis B, wo sich der Vorfall ereignete, liefert sei 1976 Strom. Die Frage ist nur: Wie lange noch? MARTIN KAUL

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