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BERT SCHULZ ÜBER DIE ZUKUNFT DES BERLINER TACHELESSo wichtig wie die Frauenkirche

Es gibt keinen Reiseführer über Berlin, der das „Kunsthaus Tacheles“ ignoriert. Direkt am Eingang der Oranienburger Straße gelegen – der wichtigsten Touristenmeile im Ostteil der Stadt –, ist die mächtige Kaufhausruine das Symbol für das Berlin der 90er Jahre: die Zeit, als Künstler Häuser besetzten, in den Kellern illegale Partys feierten, alles noch grau und verkommen, aber auch furchtbar aufregend war. Heute sind die Häuser saniert, und öde Cocktailbar säumen die Straße. Dazwischen das Tacheles, das mit seinem Hausbesetzercharme noch etwas von den rohen 90ern vermittelt – aber genauso arriviert ist.

Nun droht dem Haus die Räumung. Die Grundstückseignerin, die HSH Nordbank, will es besenrein an einen noch zu findenden Käufer übergeben. Die Künstler, tief zerstritten, versuchen zu retten, was zu retten ist. Die arme Stadt soll helfen, die Bürger sollen unterschreiben. Doch die Unterstützung hält sich in Grenzen: Warum etwas retten, was mit Subkultur kaum noch etwas zu tun hat? Was wäre verloren, wenn aus dem Tacheles ein weiterer einfallsloser Block mit Hotel, Gaststätten und ein paar Shops wird?

Der Kunst- und Kulturszene würde das kaum schaden – betroffen wären allerdings spätestens in ein paar Jahren genau jene, die aus der Oranienburger Straße die Fress- und Saufmeile gemacht haben, die sie heute ist. Ist das Image des „wilden Berlin“ erst mal übermalt, lockt sie keine Touristenmassen. Die Straße wäre so spannend wie Duisburgs Fußgängerzone.

Sie braucht das Symbol Tacheles, auch wenn es inhaltsleer ist – ähnlich wie etwa Dresden seine Frauenkirche. Um das Aushängeschild zu erhalten, sind deswegen vor allem die Boutiquenbetreiber und Restaurantschefs gefragt: Warum sammeln sie nicht – ähnlich wie in Dresden die Bürger – Geld, kaufen das Tacheles und erhalten es damit, als das, was es jetzt ist?

Inland SEITE 7

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