die passivität des westens spielt nur der hisbollah in die hände: Das langsame Sterben des Libanon
Wie tief die Kluft zwischen der Krise in Libanon und ihrer Wahrnehmung durch die US-Politik ist, zeigt die Erklärung von Außenministerin Condoleezza Rice, dass der Krieg die Geburtswehen eines neuen Nahen Osten darstelle. Die Realität sieht anders aus. Was wir derzeit im Libanon erleben, ist vielmehr der langsame Tod des libanesischen Staates und seiner Zivilgesellschaft.
Nur so viel lässt sich jetzt schon sagen: Die Gottespartei hat den unerwarteten Schlag militärisch und politisch überlebt, wie man an den unbekümmerten Fernsehansprachen ihres Chefs Hassan Nasrallah sehen kann. Sie ist noch immer imstande, ihre tödlichen Raketen nach Israel zu schicken und dessen Truppen im Südlibanon anzugreifen.
Auch politisch hat die israelische Militäraktion bislang ihr Ziel verfehlt. Im Gegenteil: Die Zerstörung der Infrastruktur und die Angriffe gegen die Zivilbevölkerung haben der Hisbollah die Solidarität der Schiiten und eine allgemeine passive politische Rückendeckung in Libanon gesichert. Selbst ihre politischen Gegner in der Regierung mussten angesichts der westlichen Weigerung, zumindest einen Waffenstillstand zu erwirken, ihre Kritik am Alleingang der Hisbollah zurückstellen.
Mit ihrer Haltung erweisen die USA dem libanesischen Ministerpräsidenten Seniora einen schlechten Dienst. Durch das unübersehbare Leid der Kriegsopfer im Südlibanon gewinnt die These der Hisbollah, es handele sich bei diesem Krieg um eine „zionistische Aggression gegen den libanesischen Widerstand“, unter der Bevölkerung an Glaubwürdigkeit. Die andauernden Gefechte führen nur in eine politische Sackgasse.
Eine Rückkehr zum Status quo ante würde jedoch einen Sieg der Hisbollah sowie ihrer syrischen und iranischen Helfer bedeuten und ist somit für Israel und die USA inakzeptabel. Doch der Nahostkonferenz in Rom fehlen die politischen Rahmenbedingungen für die Lösung der libanesischen Krise. Die Entsendung von internationalen Truppen zur Durchsetzung der UN-Resolution 1559 und insbesondere der Entwaffnung der Hisbollah ist nur im Rahmen einer umfassenden friedlichen Lösung des israelisch-arabischen Konfliktes sinnvoll. Sie bleibt ein großes Risiko, wenn sie nicht von Syrien, Iran und der Hisbollah mitgetragen wird.
Die tragische Geschichte der nach dem israelischen Einmarsch 1982 in Libanon entsendeten multinationalen Truppe darf sich nicht wiederholen. Ihre Mission konnte damals weder die Massaker von Sabra und Chatila verhindern noch den Bürgerkrieg beenden. Sie endete mit dem Tod von 450 amerikanischen und französischen Soldaten und nicht zuletzt mit einem politischen Fiasko.
ABDEL EL HUSSEINI
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