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Windkraft eine Etage höher

INNOVATION Zwei Firmen in Berlin und Brandenburg wollen mit Flugdrachen Windenergie ernten. Damit könnten sie einen visionären Beitrag zur Energiewende leisten. Nur fehlt es an nötigen Fördermitteln

VON FLORIAN ZIMMER-AMRHEIN

Wer an Windenergie denkt, denkt gemeinhin an Windräder. Uwe Ahrens und Alexander Bormann haben hingegen eine ganz andere Idee, wie sich aus Wind Strom erzeugen lässt, nämlich mit Hilfe von Flugdrachen – sogenannten Kites, wie man sie etwa vom Windsurfen her kennt. Am Kite soll in diesem Fall aber kein Mensch, sondern ein Generator hängen, der die Bewegungsenergie des Windes in elektrische Energie umwandelt.

„Kite-Kraftwerke“ oder „Flugwindenergieanlagen“ (FWEA) – so wird die Zukunftsvision von Ahrens und Bormann bezeichnet – haben einen entscheidenden Vorteil gegenüber Windrädern. Während man mit den Baukonstruktionen von Windrädern nur eine effiziente Höhe von etwa 200 Metern erreichen kann, wollen Ahrens und Bormann ihre Kites zwischen 300 und 500 Meter hoch aufsteigen lassen. Die dort anzutreffenden Höhenwinde sind nicht nur viel konstanter als Winde in niedrigeren Luftschichten. Auch Windgeschwindigkeit und -kraft steigen exponentiell mit der Höhe. Die Kite-Kraftwerk-Entwickler versprechen einen größeren und stetigeren Energieertrag bei niedrigeren Kosten, bis zu 95 Prozent Materialeinsparung und eine deutlich bessere CO2-Bilanz gegenüber konventionellen Windkraftanlagen.

Ahrens und Bormann verbindet, dass sie beide aus der Luftfahrttechnik kommen, Spezialisten für Leichtbautechnologie sind und zeitgleich an derselben innovativen Grundidee arbeiten. Bormann gründete 2010 die in Kleinmachnow bei Berlin ansässige Firma EnerKite und war vorher in Forschungsprojekten zu Windkraftanlagen tätig. Jetzt arbeitet er mit einem zwölfköpfigen Team und mehreren Hochschulpartnern am eigenen Projekt.

Uwe Ahrens war bereits erfolgreicher Unternehmer im Vorruhestand, als er sein Konzept für Kite-Kraftwerke zu entwickeln begann. Das Büro seiner 2006 gegründeten NTS Energie- und Transportsysteme GmbH liegt in bester Berliner Lage direkt am Kurfürstendamm. Zehn Mitarbeiter beschäftigt Ahrens mittlerweile, darunter eine Meteorologin.

Zwei Firmen, zwei Modelle

Trotz aller Gemeinsamkeiten sind die Kraftwerkmodelle von Bormann und Ahrens sehr unterschiedlich. Bormann entwickelt mit EnerKite kleinere, mobile Anlagen. Sie können dezentral eingesetzt werden, also beispielsweise in Regionen, die vom Stromnetz weitgehend abgeschnitten sind. Sein Modell funktioniert nach dem so genannten Jo-Jo-Prinzip: Der Kite ist über lange Seile an einer Generatorwinde am Boden befestigt. Steigt der Drache in die Luft, spult sich das Seil ab, die Winde dreht sich und erzeugt Strom. Erreicht der Kite seine Maximalhöhe, wird er mit geringem Energieaufwand wieder eingeholt und der Zyklus beginnt von vorne.

Eine Vorführanlage mit 30 Kilowatt Leistung hat Bormann schon gebaut und auf ein altes Feuerwehrauto montiert. Die erste serienmäßige Anlage soll dann 2015 kommen und 100 Kilowatt Leistung bringen. Damit könnte man den Strombedarf von etwa 200 Personen decken oder kleinere Gewerbe versorgen, die bis zu einer Gigawattstunde im Jahr benötigen.

Uwe Ahrens dagegen denkt von vornherein größer. Er will mit NTS stationäre Anlagen im Megawatt-Bereich bauen. Dafür hat er sich ein System ausgedacht, das mit einem ovalen Schienenrundkurs arbeitet, auf dem mehrere Kites und Generatoren gleichzeitig zum Einsatz kommen. Jeder Kite zieht jeweils einen Generator in Form einer kleinen Elektrolok. Bei Seiten- oder Rückenwind sorgt der Kite für Antrieb, und der an den Achsen der Lok eingebaute Generator produziert Strom. Bei Gegenwind wird der Generator als Motor eingesetzt. Die Lok schleppt dann für kurze Zeit den Kite, bis dieser erneut im Wind steht.

Die bisherigen Versuche auf einer geraden Teststrecke haben Ahrens’ Erwartungen erfüllt. Nun geht es für ihn um die Finanzierung eines kompletten Schienenkurses, auf dem er das System voll austesten kann. Ahrens’ große Hoffnung ist, in zwei Jahren eine voll funktionale Vorführanlage auf die Beine zu stellen, die er auf der Expo 2017 in Kasachstan präsentieren will.

Noch kein Produkt in Sicht

„Wir wissen jetzt sicher, dass wir Energie erzeugen können. Jetzt müssen wir es schaffen, eine Serienanlage zu bauen“, sagt Ahrens. Bormann formuliert es so: „Wir haben patente Antworten, aber noch keine alltagserprobten Produkte.“ Die nötigen Millionenbeträge für die weitere Forschung zu aquirieren sei allerdings schwierig. Beide Unternehmer wünschen sich hierbei mehr Unterstützung von staatlicher Seite. „Gerade beim Bundesumweltministerium gibt es noch sehr viel Zurückhaltung“, sagt Ahrens.

Das Ministerium hat immerhin schon eine Studie beim Fraunhofer-Institut für Windenergie und Energiesystemtechnik (Iwes) in Auftrag gegeben, um die Potenziale von FWEA-Konzepten unabhängig bewerten zu lassen. Das vorläufige Ergebnis der Studie fällt eher skeptisch aus. Das enorme Potenzial der Technologie wird zwar anerkannt. Es bestehe aber noch „großer Forschungsbedarf“ und „enormes Optimierungspotenzial“. Weiterhin heißt es: „Den Herstellerfirmen ist dieser Umstand bewusst. Sie arbeiten zielstrebig und befinden sich mit ihren Forschungs und Entwicklungstätigkeiten auf dem richtigen Weg.“

In den nächsten zwei bis drei Jahren ist mit einem marktfähigen Kite-Kraftwerk wohl noch nicht zu rechnen. Viele technische Hürden sind noch zu meistern, beispielsweise ein vollautomatisches Start- und Landesystem der Kites. „Mit mehr Kapital geht natürlich alles viel schneller“, sagt Bormann und lacht, „aber wir sind durchaus im Zeitplan. Derzeit laden wir Investoren ein, ein gewisses Risiko einzugehen und sich bei uns mit höheren Beträgen zu beteiligen.“ Ahrens geht in Sachen Finanzierung noch andere Wege. Er versucht seine Teststrecke über dieCrowdfunding-Plattform greencrowding.com zu finanzieren. Anleger können sich dort schon ab 10 Euro beteiligen.

Websites: enerkite.de x-wind.de greencrowding.com/xwind

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