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„Ich verkaufe an jeden“

Ein ehemaliges Hotel in der Delmenhorster Innenstadt soll an die rechtsextreme Wilhelm-Tietjen-Stiftung des Neonazi-Anwalts Jürgen Rieger verkauft werden. Ein Schulungszentrum soll einziehen. Jetzt hofft die Stadt auf die Macht des Bebauungsrechts

von JAN ZIER

Günter Mergel sieht aus wie einer, der es zu etwas gebracht hat im Leben. Eine elegante Erscheinung von 64 Jahren, braun gebrannt, mit einem Roadster von BMW. Einst betrieb er als Hotelier in Delmenhorst bei Bremen ein Drei-Sterne-Haus, doch das ist lange her. Das „Hotel am Stadtpark“ ist pleite, die 100 Betten stehen seit über einem Jahr leer. Jetzt will Mergel sein Haus für 3,4 Millionen Euro verkaufen – an die rechtsextreme Wilhelm-Tietjen-Stiftung. Die möchte in der 80.000 Einwohner zählenden Stadt ein Schulungszentrum errichten, in idyllischer Lage, mitten im Zentrum.

Als Direktor der Stiftung fungiert der bundesweit bekannte Neonazi-Anwalt Jürgen Rieger, der auch anderswo im Norden nach geeigneten Immobilien für seine Zwecke sucht (siehe Kasten). Mergel weiß nach eigenen Angaben nichts über die rechtsextremen Hintergründe seines Geschäftspartners – und er will es auch gar nicht wissen. Er will einfach nur noch verkaufen, egal an wen. Moralische Skrupel wischt er beiseite. „Ich bin ein armer Mann, ich verkaufe an jeden.“

1992 hat er das Hotel erworben, „als Altersvorsorge“, wie er sagt, für 6,4 Millionen Mark. Vor wenigen Wochen wurde Mergel 64 Jahre alt, doch sein aktueller Rentenbescheid weist gerade einmal 840 Euro aus. Mergel ist hoch verschuldet, muss 120.000 Euro im Jahr für Zins und Tilgung aufbringen. „Ich war Millionär“, erzählt er, „und das Beste ist: Jetzt werde ich wieder einer.“ Noch einmal blitzen seine Augen auf.

In Delmenhorst sind sie „entsetzt“ und „besorgt“ über Mergels Pläne. Und Oberbürgermeister Carsten Schwettmann (CDU) kündigte an, man werde „alles unternehmen, was uns rechtsstaatlich zu Gebote steht“. Doch solange das Haus als Hotel betrieben wird, sind der Kommune die Hände gebunden – denn als solches ist die Immobilie „In den Graften 1–3“ im Bebauungsplan ausgewiesen.

Gegenüber Mergel sprach Rieger denn auch wohlweislich von einem „Schulungshotel“, dass dort entstehen solle. „Eine andere Nutzung werden wir nicht zulassen“, kündigte Bernd Müller-Eberstein, Erster Stadtrat in Delmenhorst, gestern an. Doch offiziell weiß die Stadt noch nichts von Riegers Plänen. „Das ist alles noch sehr spekulativ“, findet Müller-Eberstein. „Aber gefallen tut uns das nicht.“

Die politischen Möglichkeiten schätzt der Vorsitzende der CDU-Fraktion im Stadtrat, Kurt Freimuth, indes als „eher gering“ ein. Er setzt deshalb auf den Widerstand der möglicherweise an der Finanzierung beteiligten Banken. „Ich hoffe, dass die nicht nur aufs Geld schauen.“ Gegenüber dem Alteigentümer ließ Rieger allerdings verlauten, er brauche kein Fremdkapital.

Die Kommune hat zwar ein Vorkaufsrecht – will es jedoch nicht ausüben. Die Haushaltslage der Stadt ist desolat, eine solche Investition müsste deshalb unverzüglich die Kommunalaufsicht auf den Plan rufen. Der Zeitwert des Hotels wird auf 1,5 Millionen Euro geschätzt, Hotelier Mergel bot es einst der Stadt zum Kauf an – für 3,4 Millionen Euro. Die Stadtverwaltung, so sein Vorschlag, könnte doch in das Haus einziehen.

Die weitere Nutzung als Hotel jedenfalls erscheint als eher unwahrscheinlich, nicht nur weil das 1980 gebaute Haus durchaus renovierungsbedürftig ist. Neben dem Hotel liegen gleich zwei Veranstaltungszentren, die Delmeburg und die Delmehalle, mit Platz für fast 3.000 lärmende BesucherInnen. Auch der Kramermarkt, ein Volksfest, macht sich mittlerweile direkt vor dem Eingang an den Graftwiesen breit. Kein Bus, kein Auto kann dann mehr das Hotel anfahren. Mergel spricht von „Lärmterror“, klagt über jährlich mehr als 150 türkische Hochzeiten, „die meine Gäste und ich ertragen mussten“. An geruhsamen Schlaf sei da nicht zu denken. Selbst Reiseveranstalter sprachen von „ohrenbetäubendem Lärm“ – und fuhren ihre Gäste woanders hin. Bis 1995 war Mergel selbst Pächter der beiden Veranstaltungshallen – „damals gab es hier maximal zehn türkischen Hochzeiten“. Doch das Geschäft war ein Verlust, Mergel zog sich in sein Hotel zurück – und nahm den Kampf gegen den Lärm auf, in vier Lärmgutachten, in unzähligen Prozessen.

Für Mergel ist eines klar: Die Stadtoberen haben sein Unternehmen in den Ruin getrieben – indem sie „immer mehr Lärm“ vor dem Hotel duldeten. „Kein Schwein hat sich um mich gekümmert“, schimpft er. „Jetzt bin ich am Ende.“ Da kommt einer wie Jürgen Rieger gerade recht.

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