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Schmauchspuren im Zwielicht

Die eigenwilligen Soul-Grunge-Rocker „The Twilight Singers“ begeben sich auf ihrem vierten Album „Powder Burns“ weiter auf die Reise durch die dunklen Ecken des Lebens. Am Sonntagabend stellen sie es im Knust vor

So., 6. 8., 20 Uhr, Knust, Neuer Kamp 30

Wenn sich jemand entscheidet, seinen Frust statt in Kneipenschlägereien fortan in Musik zu entladen, haben zumeist alle mehr davon. Das war bei den „Afghan Whigs“ nicht anders und hat Greg Dulli statt Krankenhausaufenthalten bescheidenen Ruhm eingebracht. Nachdem er die Band 1986 in Cincinnati gegründet hatte, hat es nur drei Jahre gedauert, bis die Alternative Rocker mit dem R&B und Souleinschlag als erste nicht-lokale Band einen Vertrag beim legendären „Sub Pop“-Label unterzeichnen durften. Drei Alben folgten dem auf „Ultrasuede“ erschienenen Erstling bei den Grunge-Wegbereitern aus Seattle, darunter mit „Congregation“ einer der Klassiker der „Nirvana“-Ära. Auf Konzerten rufen Dullis mitunter halbstündige Zigarettenpausen nebst mehr oder weniger geglückter Statements zur Politik des Sexuellen zwar zunächst Befremden hervor. Das allerdings verwandelt sich zunehmend in Faszination und Greg Dulli erarbeitet sich nachhaltig den Ruf eines egozentrischen Eigenbrötlers, was im Rockgeschäft ja selten schadet. 1993 wechselt die Band zum Major „Elektra“ und liefert mit „Gentleman“ und „Black Love“ zwei weitere viel beachtete Alben ab. 1998 erscheint der letzte Longplayer „1965“ bei „Columbia“, drei Jahre später lösen sich die afghanischen Perücken auf.

Da hatte Dulli mit den „Twilight Singers“ aber längst ein anderes Projekt an der Hand. Erste Demos mit einer für den Sänger der eher komischen „Afghan Whigs“ ungewöhnlich düsteren Stimmung werden schon zu „Elektra“-Zeiten aufgenommen, 2000 mit den Elektronik-Produzenten „Fila Brazilia“ überarbeitet und als „Twilight as Played by the Twilight Singers“ bei „Columbia“ veröffentlicht. Unterbrochen von der Eröffnung einer eigenen Bar in Los Angeles und dem Tod seines guten Freundes Ted Demme, setzte Dulli die musikalische Reise in die zwielichtigen Ecken der menschlichen Psyche im Herbst 2003 mit dem auf „One Little Indian“ veröffentlichten „Blackberry Belle“ fort. Gescheiterte Liebe, Verlust, der Kampf mit Dämonen und Drogen liefern auch den Rahmen für die weitere Untersuchung der Düsternis auf „She Loves You“. Das Ergebnis ist eine Reihe von mit zwielichtigem Anstrich versehenen Cover-Songs – von „Fleetwood Mac“ über Mary J. Blige zu George Gershwin.

„Whatever you heard of me before, believe me, things ain‘t what they were“, singt Dulli nun im ersten Song des vierten Albums, das im Mai veröffentlicht wurde – man ist allerdings geneigt, diese Aussage auf die nun offiziell überwundene zerstörerische Liebe zum Kokain zu beziehen. Denn – mit Notstromaggregaten und Kerzenlicht im von „Katrina“ überschwemmten New Orleans aufgenommen – wartet „Powder Burns“ musikalisch nicht mit Überraschungen auf. Begleitet von Dullis mal flüsternder, mal brüllender, hier rauchiger und da süffisanter Stimme geht es eher wieder eine weitere Stufe in den Keller, in dem jede/r seine Leichen hat. Und das mit illustren Gästen. Singer/Songwriter Joseph Arthur, Ani DiFranco und der ehemalige „Afghan Whigs“-Bassist John Curley greifen den Zwielichtssängern unter die Arme und auch Ex-“Screaming Trees“-Sänger und „Queens of the Stone Age“-Gitarrist Mark Lanegan mischt wieder mit. Und kommt sogar mit auf Tour.

ROBERT MATTHIES

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