: Brandgefährlicher Wasserhahn
GERICHT Ein Pflegehelfer verbrüht eine Demenzkranke beim Duschen. Kurz darauf stirbt die 91-Jährige
Die Heimleiterin weiß nicht, ob ihre Angestellten nachts Sessel in die Fahrstuhltüren stellen, damit ihre dementen Schützlinge nicht allein durchs Haus geistern können. Sie weiß nur, dass aus demselben Grund die Tür zum Treppenhaus mit einem Poster getarnt wurde. Sie hat sich auch keine Gedanken um den Einbau eines Verbrühschutzes gemacht, der dafür sorgt, dass das Duschwasser nicht gefährlich heiß werden kann. Schließlich sitzt auch nicht die Heimleiterin auf der Anklagebank des Amtsgerichts, sondern Pflegehelfer Sebastian F. Ihm wird fahrlässige Tötung vorgeworfen. Der 33-Jährige hatte im Juni 2013 eine demente Frau zu heiß geduscht, sie erlitt Verbrennungen zweiten Grades. Fünf Tage später starb die 91-Jährige an Organversagen.
Ein halbes Jahr zuvor hatte Sebastian F. in dem Lichterfelder „Curanum“-Seniorenheim seine Tätigkeit als Pflegehelfer aufgenommen. Er hatte nie einen Beruf erlernt, nicht einmal einen Pflegebasiskurs besucht. Trotzdem vertraute man ihm nach einer Woche Einarbeitungszeit die schwierigsten Patienten des Hauses an, etwa zehn schwerst Demente. Zu ihnen gehörte auch Margarete W., die er sehr gemocht habe. „Ich habe sie morgens immer als Erste geweckt, ich habe mich über ihre Reaktion gefreut. Sie sagte: ‚Ich liebe dich!‘“, so der Angeklagte.
An jenem Tag habe er die an einer Durchfallerkrankung leidende Seniorin säubern, aber ihre dünne Haut schonen wollen. So sei er auf die Idee verfallen, sie auf einen Toilettenstuhl zu setzen, um sie dann abzuduschen. Weil die Patientin grundsätzlich unruhig war, habe er sie mit einer Hand festgehalten. Mit der anderen Hand habe er die Dusche aufgedreht, der Schwenkhebel befand sich in Mittelstellung. Das Wasser erschien ihm zu warm, darum habe er den Hebel nach rechts gezogen. Ohne die Temperatur erneut zu prüfen, brauste er die Frau ab. Anschließend trocknete er sie ab und brachte sie auf ihr Zimmer.
Kurze Zeit später wand sie sich vor Schmerzen. F.’s Kollegin, einzige ausgebildete Altenpflegerin in dieser Schicht, rief die Feuerwehr. Aber erst als die Krankenhausärzte das Seniorenheim über die Verbrennung informiert hatten, überprüfte Sebastian F. den Wasserhahn und bemerkte, dass dessen Armatur falsch montiert worden war: Dort wo kaltes Wasser fließen sollte, kam heißes heraus.
In drei Wochen will das Gericht einen Rechtsmediziner befragen, ob die Verbrennung Ursache für den Tod war. Dann soll das Urteil fallen. UTA EISENHARDT
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen