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AKW-Panne: „Keine Vergleichbarkeit“

Hessens CDU-Umweltminister Wilhelm Dietzel erklärt deutsche AKWs für ungefährlich. Alle Bundesländer sollen Daten zur Sicherheit hiesiger Reaktoren liefern. Die Schweden schließen derweil nicht mehr aus, dass sie ihre AKWs umbauen müssen

VON REINHARD WOLFF UND NICK REIMER

Deutsche Atomkraftwerke sind sicher. Zumindest nach dem Willen der CDU: „Es gibt keine Hinweise auf eine Vergleichbarkeit“, erklärte gestern Hessens Umweltminister Wilhelm Dietzel (CDU). Fristgerecht hatte sein Haus einen Bericht an das SPD-geführte Bundesumweltministerium in Berlin eingereicht, der jene technischen Pannen vergleichen sollte, die in Schweden zur Abschaltung jedes zweiten Reaktors geführt hatte.

Im schwedischen AKW Forsmark waren nach einem Kurzschluss zwei Notstromdiesel gar nicht, zwei erst verspätet angesprungen. Durch eine Computersimulation will nun die Expertenkommission den Auslöser für die Fehlerkette gefunden haben. Auf Details wollte Forsmark-Informationschef Claes-Inge Andersson gestern nicht eingehen. „Das Analysematerial werden wir der schwedischen Atomaufsichtsbehörde SKI zukommen lassen“, erklärte er. Die habe dann zu entscheiden, ob die Fehlfunktionen ausreichend analysiert worden seien.

Lennart Carlsson, SKI-Abteilungsleiter für Reaktorsicherheit, bezeichnete es als „sehr gut, wenn sie jetzt die Grundursache des Fehlers gefunden haben“: „Dann kann die Konstruktion geändert werden.“ Man werde vermutlich eine Woche brauchen, den Forsmark-Bericht zu analysieren. Ohne dies näher begründen zu wollen, ließ SKI-Inspektionschef Leif Carlsson in einem Radiointerview aber auch wissen: „Wir gehen davon aus, dass vielleicht in allen AKWs Konstruktionsänderungen vorgenommen werden müssen.“

Trotz Fortschritten bei der Fehlersuche bleiben laut Experten viele Fragen offen. Beispielsweise, warum die Computersimulationen erst nachträglich gemacht wurden und nicht routinemäßig in die Kontrollarbeit eingingen. So wurde nicht geklärt, wie ein Alarmsystem ausgelegt sein muss, damit Überwachungskameras und Computer im Kontrollraum auch nach einen Kurzschluss noch funktionieren. „Der Unterschied zu Schweden ist doch: Biblis hat für den Start der Notstromdiesel wesentlich stärkere Batterien“, erläuterte Hessens Umweltminister Dietzel seine Einschätzung. Doch offenbar sind deutsche AKWs auch jenseits der Parteipolitik sicherer als die schwedischen. „Ein vergleichbarer Störfallablauf ist in den schleswig-holsteinischen Kernkraftwerken nicht möglich“, meldete SPD-Sozialministerin Gitta Trauernicht nach Berlin. Ein Abschalten der Reaktoren Brunsbüttel und Brokdorf sei deshalb nicht erforderlich. Das AKW Krümmel steht derzeit wegen Revision still.

Allerdings – und da färbt sich die Debatte dann doch wieder parteipolitisch: Während sich Dietzel nach Investitionen in mehr Sicherheit längere Laufzeiten für Biblis A vorstellen kann, will Trauernicht Brunsbüttel in dieser Legislatur unbedingt abschalten: „Die gefährliche Panne in Forsmark unterstreicht doch die Notwendigkeit des konsequenten Atomausstiegs.“ Nach diesem sind Biblis A und Brunsbüttel die nächsten beiden stillzulegenden Reaktoren.

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