: „Strategisches Verarschen der Leser“
WÄCHTERIN Antje Tiefenthal durchkämmt die Yellow Press und Frauenzeitschriften in ihrem Blog Klatschkritik und stellt fest: Dort hat PR längst den Journalismus abgelöst – und aktuelle Fotos sehen manchmal ganz alt aus
VON DANIELA ZINSER
Das Titelbild der Ausgabe, das ein US-Sternchen im herbstlichen Flanellhemd zeigt – und schon zwei Jahre alt und wiederverwertet ist. Die Kosmetiktipps, die allesamt von einem Hersteller stammen. Der karibikblaue Nagellack, der als „der Trend“ angepriesen wird – blöderweise Monate vorher auch in anderen Zeitschriften, und dort ist er eher grün: Skandale sind es vielleicht nicht, die Antje Tiefenthal mit ihrem Watchblog www.klatschkritik.blog.de aufdeckt, aber doch erhebliche Falschspiele der Frauenzeitschriften und Peoplemagazine.
Gala, Jolie, Joy, Chatter, Elle, InStyle – das ist nur eine kleine Auswahl der Hefte, die die 26-Jährige mit dem Blick der ganz normalen Leserin am Kiosk kauft. Vier, fünf Magazine sind es pro Woche. „Wenn mir beim Lesen etwas auffällt, dann beginne ich zu recherchieren. Ich habe so ein Gefühl dafür, wenn etwas nicht stimmt“, sagt Tiefenthal, die nach einem Volontariat beim Nordkurier in Hamburg und Berlin als freie Journalistin arbeitet und den Blog seit März betreibt. Nach zwei, drei Stunden Recherche findet sie dann zum Beispiel heraus, dass das InStyle-Cover mit Jessica Simpson im Herbstoutfit schon zwei Jahre vorher die US-Elle zierte. Dabei wird dem Leser mit Herstellernachweisen vorgegaukelt, die Sachen, die Simpson trägt, seien noch im Handel zu bekommen. So was ärgert Antje Tiefenthal. „Die Zeitschriften versprechen offensiv etwas, was sie gar nicht halten können, das ist strategisches Verarschen der Leser.“
Redaktionelle Werbung
Das gilt auch für das etwas zu engagierte Anpreisen ein und desselben Herstellers. Ein Tachometer zeigt auf ihrem Blog an, wie oft der Kosmetikhersteller Maybelline Jade in einer Woche in den Zeitschriften vorkommt – nicht in den Anzeigen, sondern im redaktionellen Teil: 17-mal. „Mir ist klar, dass es schwer ist, als Magazin die Grenzen zu ziehen zwischen Werbung und Redaktion, dass das heute immer mehr verwischt ist, aber wenn ein Hersteller ausschließlich im redaktionellen Teil genannt wird, dann ist das Schleichwerbung, kein journalistisches Handeln“, sagt die Journalistin. „Wenn die Redaktionen sich als Journalisten bezeichnen, dann sollen sie auch so arbeiten, sonst können sie sich gleich PR-Redakteure nennen.“
Die Idee zum Blog hatte sie schon vor Monaten, als ihr beim Lesen, zur Entspannung, immer öfter handwerkliche Fehler aufgefallen sind. Etwa, dass auf dem Titel Themen versprochen wurden, die hinten kaum eine Kurzmeldung waren. Oder News, die Monate alt sind, wie das Internetportal einer Parfümerie, das nun, im Juli, online sein soll – und es schon seit dem Ende des Vorjahres ist. „Die Vorlaufzeiten sind mir klar. Aber es ist doch die Frage, wie ich den Leser darüber aufkläre. So wird dem Leser vorgegaukelt, dass der Beitrag aktuell ist“, sagt Tiefenthal.
Es ist sehr unterhaltsam, im Blog nachzulesen, wie alt die „neuesten“ Fotos der ehemaligen Stars von „Beverly Hills 90210“, Luke Perry und Jason Priestley, in Chatter sind, was der Gala-Kosmetikbeitrag „Im Namen der Rose“ eher mit Mohn zu tun hat und wie unterschiedlich die Magazine den neuen Ohne-Bart-Look von Brad Pitt interpretieren. Das mag einem irrelevant vorkommen, aber die Zeitschriften gaukeln ebenso falsche Tatsachen vor, wie so manche RTL2-Dokusoap oder die Boulevardpresse. „Die Medienbeobachter blickten auf die Bild-Zeitung, auf das Fernsehen, aber es gab so gut wie niemanden, der sich ernsthaft mit diesen Magazinen auseinandergesetzt hat. Da wurde eher verächtlich und ignorant draufgeschaut. Doch die Auflagenzahlen dieser Blätter zeigen, dass sie ernst zu nehmen sind“, sagt die Bloggerin.
Hilflose Antworten
Dass ihr Beobachten die Zeitschriften kaum dazu bringen wird, nun anders zu arbeiten, weiß Antje Tiefenthal natürlich: „Aber der Blog soll ihnen klarmachen, dass es nicht unbemerkt bleibt, was sie tun – und der Leser merkt es auch. Es hört sich banal an, aber so geht es nicht.“
Und Antworten der Blätter, wenn sie überhaupt mal auf Nachfragen reagieren, zeigen, wie überrascht und hilflos sie sind. Sie argumentieren mit Exklusivität statt mit Aktualität, mit der aufwändigen Produktion und ein klein bisschen auch damit, dass es eigentlich doch egal ist. Aber eben gerade das ist es nicht.
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