: So klappt’s auch mit …
… den wilden Tieren
VON JANA TASHINA WÖRRLE (TEXT) UND ELÉONORE ROEDEL (ILLUSTRATION)
Wenn ich morgens im Halbdunkeln durch den Park laufe, begegnet mir manchmal ein Fuchs. Besser gesagt, ich weiche einem Fuchs aus. Denn der Park ist sein Revier. Zur Morgendämmerung habe ich dort eigentlich nichts zu suchen. Das hat er mir klargemacht, als er mir eines Morgens den Weg versperrte. Auge in Auge standen wir uns gegenüber. Dann bin ich umgedreht.
Jeder verteidigt eben seinen Bereich und, typisch Großstadt, nicht nur die Menschen, sondern auch die Tiere finden in Berlin immer weniger Unterschlupf. Doch Füchse erobern sich neue Reviere, Hasen und Wildschweine sowieso. Andere wilde Großstadttiere haben es schwerer.
Nester aus Sperrmüll
Insekten, ganz besonders die Wildbienen, sind wichtig, da nur durch ihre Bestäubung vieles blüht und Früchte trägt. Aber ihnen fehlt geeigneter Wohnraum – auch, weil wir immer mehr Platz brauchen, Brachen und freie Flächen verschwinden. Gern nehmen Insekten mit Schutt und alten Bäumen, mit Steinhaufen und manchmal auch Sperrmüllteilen vorlieb, um sich Nester zu bauen.
Es ist Zeit, mal was für Wildbienen zu tun. Da ich keine Brachfläche bieten kann, wähle ich den Balkon. Bauanleitungen für Insekten- bzw. Wildbienenhotels – beide Namen sind gebräuchlich – stehen zuhauf im Internet. Ich besorge Bretter, Schrauben, Säge und Bohrmaschine und baue daraus einen Kasten mit einzelnen Unterteilungen, ähnlich einem großen Setzkasten. Die erste Reihe ist geschafft, in den Maßen 40 mal 50 Zentimeter liegt sie vor mir. Um jetzt nichts falsch zu machen, rufe ich doch mal eine Expertin an. Ein solcher Aufwand muss gar nicht sein, ist das Erste, was ich erfahre. Immerhin, das Selbstbauen sei schon der richtige Ansatz.
„Fertige Insektenhotels sind oft aus behandeltem Holz, voll mit Schadstoffen und manchmal auch unsauber verarbeitet, voller Splitter“, sagt Melanie von Orlow vom Naturschutzbund. Die Biologin ist dort im Einsatz, wo Hummeln-, Hornissen- oder Bienenschwärme in Berlin eingefangen und umgesiedelt werden sollen.
Also, sagt sie, Wildbienen auf dem Balkon siedele man am einfachsten an, indem man ein paar Bambusröhren – wenn möglich mit verschiedenem Durchmesser – in eine leere Konservenbüchse steckt, diese in eine Ecke legt und so fixiert, dass die Öffnungen waagrecht sind.
Die Wilden sind schüchtern
Die Röhren können unterschiedlich lang, müssen aber unbedingt an einem Ende geschlossen sein. Man kann auch einen Holzklotz oder eine dicke Scheibe eines Baumstammes nehmen – eines Obstbaums, empfiehlt sie – und ein paar Löcher hineinbohren. „Diese dürfen nicht zu groß sein, die gebohrten Gänge sollten sich nicht berühren und auch hier am anderen Ende geschlossen bleiben“, sagt von Orlow. Zu groß seien Gänge über 8 Millimeter, denn Insekten und vor allem die kleinen wilden Wespen mögen ihre Räume eng und schmal.
Für die Länge der gebohrten Gänge gibt es eine Faustregel: „Die Löcher sollten zehnmal so tief sein wie ihr Durchmesser“, sagt die Bienenexpertin. Als dritte Variante nennt sie einen alten Blumentopf, den man mit Lehm füllt. Einfach mit dem Finger ein paar Kuhlen eindrücken – die Löcher und Gänge bohren sich die Tierchen in dem weichen, luftgetrockneten Matsch dann von ganz allein.
Und jetzt zu meiner Füllung. In der eher aufwändigen Insektenhotelversion kann ich jede der Unterteilungen des Kastens verschieden füllen – mit Bambus, einem Holzblock mit Löchern und mit Lehm. Umso abwechslungsreicher das Material und damit auch die Größe der Löcher, desto mehr Käfer-, Bienen- und Wespenarten finden hier ein Zuhause. Die kleinsten Wildbienen sind nur etwa einen Millimeter groß, die größten bis zu drei Zentimeter. In Deutschland gibt es mehr als 550 Arten, in Berlin knapp 300. Und ihnen einen Unterschlupf anzubieten bedeutet auf keinen Fall das große Krabbeln auf dem Balkon. Die wilden Arten leben allein, sie sind schüchtern und menschenscheu. „Und sie lieben die Sonne. Das Insektenhotel sollte immer in der Sonne stehen, vor Wind und Regen geschützt“, sagt von Orlow.
Wählerisch könnten die Wildbienen bei Hochhäusern werden. Was über dem fünften Stock liegt, wird sie wahrscheinlich nicht interessieren. Zum Glück liegt mein Balkon im zweiten. Dort fehlen nur noch die Frühlingssonne und die passende Bepflanzung. Wildbienen mögen Gewürz- und Zwiebelpflanzen. Praktisch, die mag ich nämlich auch. Bis es so weit ist, gehe ich noch mal den Fuchs besuchen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen