: Jetzt ist sie erwischt worden
DOPING Die Enthüllung des Tages: Biathletin Evi Sachenbacher-Stehle aus Bayern steht nach A- und B-Probe unter Dopingverdacht. Russlands Coach Wolfgang Pichler glaubt sie unschuldig und macht verunreinigte Energieriegel verantwortlich. Aber die Athletin hat ohnehin eine fragwürdige Vergangenheit als Langläuferin
AUS SOTSCHI MARKUS VÖLKER
Evi Sachenbacher-Stehle, das war der Name, der früh die Runde machte. Als der Deutsche Olympische Sportbund gestern früh meldete, die A-Probe bei einem Mitglied des Olympiateams habe „ein von der Norm abweichendes Ergebnis“ erbracht, da dachten viele, es könne sich eigentlich nur um die kleine Skijägerin mit der rosa Mütze handeln, denn sie wurde trotz guter Ergebnisse in Sotschi nicht für den Staffelwettbewerb am gestrigen Freitagnachmittag nominiert.
Bundestrainer Gerald Hönig gab zur Begründung an, seine Athletin habe zuletzt Probleme gehabt, sich zu konzentrieren. Aber warum sollte man eine Athletin nicht berücksichtigen, die Vierte im Massenstartrennen geworden war? Die „Konzentrationsschwäche“ der 33-Jährigen hatte einen bestimmten Grund: Sachenbacher-Stehle hat gedopt, offenbar mit einem Aufputschmittel. Es ist der erste Dopingfall dieser Spiele, die Analyse der B-Probe bestätigte das erste Resultat. Die Deutschen haben sozusagen das erste Gold im Dopen abgeräumt. In diesem Medaillenspiegel führen sie unangefochten. Chapeau.
Früher war Sachenbacher-Stehle Langläuferin. Erst vor zwei Jahren wechselte sie ins Lager der Biathleten. Sie hatte Mühe, dort Fuß zu fassen. Die Kombination aus Laufen und Schießen machte ihr zu schaffen. Ihre Laufzeiten waren mau, die Schießergebnisse anfangs mies, nur langsam besserte sich ihre Ballerei. Die Spiele von Sotschi waren ihre ersten als Biathletin. Sachenbacher-Stehle wechselte zwar die Sportart, doch ihre Geschichte nahm sie mit. Bei den Winterspielen von Turin gab es schon einmal so eine unschöne Sache, in die Sachenbacher-Stehle verwickelt war. Ihr Blut war zu dick. Der Hämoglobinwert, also die Zahl der roten Blutkörperchen, lag bei 16,4. Erlaubt war aber nur ein Wert von 16,0.
Die Bayerin aus Reit im Winkl wurde mit einer fünftägigen Schutzsperre belegt. So ein hoher Wert kann etwas mit Doping zu tun haben, muss aber nicht. Der Deutsche Ski-Verband legte seinerzeit Protest gegen die Sperre ein: Die Staffel-Olympiasiegerin von Salt Lake City aus dem Jahr 2002 habe eine bestimmte genetische Veranlagung zur Blutverdickung. Der Einspruch wurde abgewiesen, doch als ihre Werte bei einer weiteren Messung okay waren, durfte Sachenbacher-Stehle wieder mitmachen. Sie sollte in Turin noch eine Medaille gewinnen: Silber mit der Staffel. Damals ging die Geschichte gut für sie aus.
Nicht nur sie, das gesamte Lager der Langläufer wird seit mehreren Dopingskandalen skeptisch beäugt. Betroffen waren vor allem Finnen, Russen und Österreicher. Auch der Biathlon hat nicht den besten Ruf. Dass jetzt ausgerechnet das ewige Madel, die kleine Evi, so abgefeimt betrogen haben soll, das passt nicht ins Bild der Marketingstrategen, die seit 2002 um sie herumschwirren.
Nach dem Olympiasieg wurden ihre Jahreseinnahmen auf 250.000 Euro taxiert, kein schlechter Wert für eine deutsche Loipenspezialistin. Der Boulevard liebte seine „Gold-Evi“. Sie galt als „Strahle-Frau“, schloss einige Werbeverträge ab, und selbstverständlich wurden auch die obligaten Schnappschüsse im Bikini von ihr gemacht. Darauf zu sehen: der lupenreine Waschbrettbauch einer extrem durchtrainierten Leistungssportlerin. So unbeschwert, locker und leicht ging es nicht weiter.
Jochen Behle, damals Bundestrainer, fand ihre Ausflüge in die Welt der Semipromis gar nicht toll und rüffelte sie. Die kleine Evi zeigte Widerspruchsgeist und schaffte sich einen eigenen Heimtrainer an, Wolfgang Pichler, der heute im russischen Biathlonverband angestellt ist. Dort kennt man sich ja auch mit Dopingfällen aus; vor den Spielen von Sotschi wurde dessen Skijägerin Irina Starych positiv getestet. Pichler erklärte flugs zum Fall Sachenbacher-Stehle: „Wenn es stimmt, was ich gehört habe, hat sie verunreinigte Energieriegel genommen.“
Der letzte große Erfolg der nur 52 Kilogramm schweren Athletin liegt vier Jahre zurück. Als sie Gold im Teamsprint von Vancouver gewann, da feierte die Süddeutsche Zeitung „Gold-Evis Auferstehung“; längst vergessen waren da die Scharmützel mit dem Sportgerichtshof CAS, vor dem sie sich ihre angebliche Blutanomalie anerkennen lassen wollte. Der Versuch scheiterte.
Der Wechsel zum Biathlon sollte ihrer Karriere noch einmal Schwung verleihen. Ihr früherer Manager, der Münchner Ralf Scheitenberger, bewarb sie stets als „sehr natürlichen Typ“. Sie sei „eben auch so, wie sie in den Medien rüberkommt“. Derzeit kommt Evi Sachenbacher-Stehle als Betrügerin rüber. Das kann so nicht gewollt gewesen sein.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen