: Der ewige Pleitgen als eiserne Reserve
Die Intendantenkür des WDR droht zu einer Posse zu werden, fürchten Mitglieder des Rundfunkrats
Eines kann man kann man dem Westdeutschen Rundfunk (WDR) jedenfalls nicht vorwerfen: Dass er es sich bei der Neubestallung des Intendantenpostens zu einfach macht. Nach der Rundfunkratssitzung vom Mittwoch steht jetzt immerhin fest: Der künftige Intendant der größten ARD-Anstalt wird erst im November gewählt. Das Verfahren bleibt weiterhin in den Händen der Wahlvorbereitungskommission unter Leitung des Rundfunksratsvorsitzenden Reinhard Grätz, der das oberste WDR-Gremium seit 20 Jahren führt. Und Fritz Pleitgen, dessen aktuelle Amtszeit 2007 endet, steht weiter als „eiserne Reserve“ (Pleitgen über Pleitgen) zur Verfügung.
Formal ist damit die Kandidatensuche wieder eröffnet. Doch die sechs Punkte, die der WDR gestern per Pressemitteilung in Sachen Intendantenwahl veröffentlichte, sprechen teilweise eine deutlich andere Sprache: „Bis zur nächsten Sitzung der Kommission am 30. August 2006 können Mitglieder der Kommission und des Rundfunkrats Personenvorschläge an den Vorsitzenden [der Wahlkommission, die Red.] übermitteln“, heißt es da. Bevor nun aber die Herolde des WDR ausschwärmen, um die üblichen Verdächtigen von Nioklaus Brender (derzeit Chefredakteur des ZDF) bis Dagmar Reim (derzeit einzige ARD-Intendantin beim Rundfunk Berlin-Brandenburg) heran zu zitieren, greift man vorsorglich schon mal ein: „Sondierungsgespräche sollen nicht mit solchen Personen geführt werden, die von weiten Teilen des Rundfunkrats nicht getragen werden könnten“, heißt es da.
Fragt sich bloß, wer dann noch übrig bleibt. Einige Rundfunkrats-Mitglieder sind sich ihrer Sache sicher: Für sie bleibt alles beim im Mai zum Auftakt des Medienforums NRW der verblüfften Medienpolitik wie der verblüfften Öffentlichkeit präsentierten Strategie: Da zwar diverse KandidatInnen genannt werden, aber kein konsensfähiger darunter ist, muss Pleitgen nochmal ran. Der 68-Jährige hat schließlich überdeutlich und mehrfach öffentlich seine Bereitschaft angekündigt, trotz „eigentlich anderer Lebensplanung“ unter der Bedingung für eine dritte Amtszeit anzutreten, dass sich kein anderer mehrheitsfähiger Kandidat findet.
Vor allem dieses öffentliche Bekenntnis Pleitgens dürfte andere Bewerber schon genügend abschrecken, heißt es bei einigen aus dem Rundfunkrat. Andere beurteilen die Lage skeptischer: Da sich die SPD immer noch gegen Pleitgens Wiederwahl sträube, drohe dem WDR unter Umständen eine „Intendantenposse“ wie 2002 beim ZDF. Dort war in einem an Peinlichkeiten schwer zu überbietendem Prozess erst nach langem Geschacher eine Kandidatenkür gelungen. „Wir sind ein bisschen auf dem Weg dahin“, hieß es gestern beim WDR. STEFFEN GRIMBERG
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