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RÜCKSICHTSLOSES PROFITSTREBEN IST KEIN PRIVILEG DER TABAKINDUSTRIEZigaretten? Kapitalismus!

Konzerne „verkauften ihr tödliches Produkt mit Eifer und Betrug, ausschließlich auf ihren finanziellen Erfolg orientiert und ohne jede Rücksicht auf die menschliche Tragödie oder die sozialen Kosten, die dieser Erfolg mit sich bringt“. Eine bahnbrechende Ächtung der Praktiken von Waffen- und Lebensmittelindustrie, von Agrargentechnik und Pharmaunternehmen – ja, des gesamten Systems des gewinnorientierten Wirtschaftens? Nein, es geht – leider – wieder nur um Zigaretten. Der Satz stammt aus dem 1.742 Seiten langen Urteil der US-Bundesrichterin Gladys Kessler, mit dem am Donnerstag die vorerst letzte Runde eines siebenjährigen Rechtsstreites der US-Regierung mit der US-Tabakindustrie zu Ende gegangen ist.

Weiter heißt es in dem Urteil, die großen Tabakkonzerne hätten, einer Verschwörung gleich, fünf Jahrzehnte lang alles unternommen, um die Öffentlichkeit über die Gefahren des Rauchens zu täuschen; sie hätten Dokumente vernichtet, Forschungen unterbunden und den Tabak chemisch bearbeitet, um dessen Suchtwirkungen zu steigern – nur um die Industrie dann lediglich dazu zu verdonnern, künftig verharmlosende Attribute wie „light“ oder „mild“ nicht mehr zu verwenden und ihrerseits Anzeigen gegen die Gefahren des Rauchens zu schalten. Das ist wirklich light und mild.

Die eigentlich interessante Frage der Zeit, die in dem Urteil steckt, nämlich die nach der sozialen Verantwortung privater Unternehmen, muss man freilich nicht nur der Tabakindustrie stellen. Es ist wunderbar, wenn die Richterin kritisch bemerkt, die Unternehmen seien „ausschließlich auf ihren finanziellen Erfolg orientiert“. Excuse me, Ma’m, aber was haben denn Sie gedacht?

Sollte das Urteil dazu führen, dass in den USA und sonst wo eine neue Diskussion darüber in Gang kommt, welchen Interessen außer denen der Shareholder und Vorstandsetagen das betriebswirtschaftliche Gebaren eines Unternehmens noch zu dienen hat, dann sei es willkommen – die Debatte ist überfällig. Wahrscheinlicher aber ist, dass der Richterspruch als Lachnummer in die Justizgeschichte eingeht. BERND PICKERT

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