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CHRISTIAN BUSSDER WOCHENDKRIMIWüterich im Feinripp-Chic

Für ein paar Minuten hält doch glatt französische Lebensart ins düsterste aller „Tatort“-Reviere Einzug: Vor dem Frühstück vögelt Kripochef Rudi Fromm (Peter Lerchbaumer) seine geliebte Buchhändlerin, als Begleitmusik gibt’s Akkordeonklänge. Heute soll der Frankfurter Polizist in die Rente verabschiedet werden, er fühlt sich frei und sexy. Doch als die Dame die Milchflasche vor der Wohnungstür holt, steht da ein Killer, der sie erschießt. Anschließend wütet Rudi im Feinripp durch die Bordelle des Bahnhofsviertels, um den Täter zu stellen.

Zum Abschied unseres liebsten Ermittlerteams wird Sidekick Fromm also zur tragischen Hauptfigur. Die Kollegen Dellwo (Jörg Schüttauf) und Sänger (Andrea Sawatzki) tun derweil das Übliche: Er säuft Dosenbier und rauscht zu Heavy Metal durch die Stadt, sie steht entrückt herum wie eine Porzellanfigur.

Mal sehen, ob die Nachfolger Ulrich Tukur (wird ab November einmal im Jahr von Wiesbaden aus ermitteln) sowie Nina Kunzendorf und Joachim Król (werden zweimal im Jahr in Frankfurt tätig sein) in Sachen Streetworking und Milieu-Hopping mithalten können. Denn auch wenn „Am Ende des Tages“ (Buch und Regie: Titus Selge) zwischenzeitlich dramaturgisch schwächelt, wird doch das einzigartige Kompositionsprinzip, das vor zehn Jahren von Niki Stein eingeführt wurde, gut ausgereizt. Nachdem es in den 17 Episoden zuvor immer wieder von den Banktürmen runter zu den Abbruchvierteln ging und von den Architekturbüros in luftigen Höhen zu den SM-Studios in Eigenheimkellern, leuchtet man Frankfurt auch für dieses Finale streng in der Vertikalen aus: vom Wolkenkuckucksheim des frisch verliebten Altbullen in den Rotlichtabgrund.

Wie jede Folge des sympathisch quotenschwachen „Tatorts“ aus der Bankenmetropole zuvor gleicht auch diese einem Sprung aus dem Hochhaus. Wir werden sie vermissen, die Krimi-Extremisten aus Frankfurt.

Frankfurt-„Tatort“: „Am Ende des Tages“; So., 20.15 Uhr, ARD

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