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In treuer Hassliebe

DRAMA Margarethe von Trotta zeigt in „Die Schwester“ eine Beziehung zwischen einer sanftmütigen und einer verbiesterten Frau. Kein leichter Stoff (20.15 Uhr, ARD)

Es ist ein ganz untypischer Margarethe-von-Trotta-Film. Denn sie hat den Humor für sich entdeckt

VON JENS MÜLLER

Der „junge deutsche Film“ ist in die Jahre gekommen, so auch seine ProtagonistInnen. Warum also nicht einmal das Thema „Altwerden“ verhandeln, was der Andreas Dresen kann, kann ich schon lange, mag sich Margarethe von Trotta gedacht haben. Man muss wohl auch ein veritables Dickschiff des deutschen Filmschaffens sein, um mit so einem spröden Stoff nicht gen Mitternacht und ins „Kleine Fernsehspiel“ abgeschoben zu werden. (Okay, wir sind hier in der ARD, und das „Debüt im Ersten“ nach mehr als 20 Regiearbeiten einer Filmemacherin – pardon – Jahrgang 42 …) Es ist – zum einen – ein ganz typischer Margarethe-von-Trotta-Film: Wie immer stehen Frauen im Mittelpunkt der Erzählung. Wie so oft („Schwestern oder Die Balance des Glücks“, „Die bleierne Zeit“, „Fürchten und Lieben“) geht es um die innerfamiliäre Auseinandersetzung zweier Schwestern.

Pleite und behindert

Wie immer – auch bei ihren schlechteren Filmen (zuletzt: „Vision – aus dem Leben der Hildegard von Bingen“) – beweist die Regisseurin ein glückliches Händchen bei der Besetzung ihrer weiblichen Hauptrollen. Cornelia Froboess, deren Teeniefilme mit Peter Kraus („Conny und Peter machen Musik“) die patriarchalen Geschlechterklischees der Adenauer-Jahre regelmäßig bestätigten, in einem Film der feministischsten aller deutschen Regisseurinnen. Interessant. (Gewiss, die Froboess hat die besagte Vergangenheit lange schon hinter sich gelassen. Aber trotzdem!) Hier nun spielen Cornelia Froboess und Rosemarie Fendel – beide glänzend besetzt, wie gesagt – die Schwestern Wilma und Margot Brunner, die seit Jahrzehnten eine Lebensgemeinschaft sind. Wilma, die Jüngere, ist gehbehindert. Margot, die Ältere, hat kein eigenes Geld. Sie sind aber aufeinander angewiesen. Sie können sich nicht mehr leiden, was ganz klar herauszuhören ist.

Wilma: „Warum sprichst du nicht?“ Margot: „Weil du mir dann antworten würdest.“ Wilma: „Und?“ Margot: „Ich kann deine Stimme nicht mehr ertragen.“ Wilma: „Das ist schlimm. Ich werde nämlich nicht verstummen.“

So geht das tagein, tagaus – bis es Margot dann doch reicht: „Ich habe einen Entschluss gefasst. Und der steht fest. Ich werde jetzt einen Spaziergang machen, mit dem Hund, und danach komme ich zurück und möchte mit dir sprechen, hier im Wohnzimmer, um 14 Uhr.“ Margot ist 80. Sie will weg, ausziehen.

Wilma ist intrigant. Sie will das mit allen Mitteln verhindern. Ein Mann kommt ins Spiel, Paraderolle für Matthias Habich: Gregor Antonion, Gentleman alter Schule, mit – natürlich nur angedeutetem – Handkuss und so fort. Und mit Wohnsitz im katholischen Männerheim. Des Gentlemans früheren Broterwerb umschreibt der Heimleiter, ein Mann der Kirche, Wilma gegenüber so: „Jesus mochte Maria Magdalena ganz besonders gern, wird berichtet.“ Wilma ist nicht prüde. Aber Dreiecksgeschichten sind kompliziert. Drei sind einer zu viel.

Bitterer Spaß

Dialogschweres und verkopftes und kaum genießbares Wehklagekino hat man Margarethe von Trotta mitunter vorgeworfen. So ganz falsch war das nicht. Es ist deshalb – zum anderen – ein ganz untypischer Margarethe-von-Trotta-Film. Denn sie hat den Humor für sich entdeckt. Oder Drehbuchautor Johannes Reben („Unser Pappa“) hat ihn ihr verordnet. (Untergeschoben?) Es ist natürlich ein Humor von der eher bitteren und manchmal sehr hintergründigen Sorte. Gleich zu Beginn des Films eruiert Froboess respektive Wilma sarkastisch die Qualitäten eines Toilettenaufsatzes für Behinderte als Hula-Hoop-Reifen. Im Jahr 1959 spielte Froboess an der Seite von Schlagersänger Rex Gildo in „Hula-Hopp, Conny“. Ein Zufall? Oder Ironie? Bei Margarethe von Trotta? Genießbar in jedem Falle. Mehr als das.

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