: Mannigfaltige Manipulationen
KRICKET In Pakistan wird mit verschobenen Spielszenen immens viel Geld umgesetzt
BERLIN taz | Bis vor kurzem waren sie in Pakistan noch Sportidole wie hierzulande Bastian Schweinsteiger, Mesut Özil oder Thomas Müller. Doch mittlerweile wird gar geprüft, ob die pakistanischen Kricketprofis Salman Butt, Mohammad Amir und Mohammad Asif wegen Landesverrats vor Gericht gestellt werden sollen.
Eigentlich geht es nur um zwei lapidare Fußfehler der drei pakistanischen Spieler in einer Match-Serie gegen Englands Kricket-Nationalteam Ende August. Amir und Asif haben zwei No-Balls verschuldet – Spielfehler, die für den Ausgang des Matches nicht von Bedeutung waren und die in jedem Spiel mehrfach vorkommen. Sie passieren und verschwinden dann in den Statistiken. Allerdings waren diese Aktionen höchstwahrscheinlich gekauft. Und sie scheinen nur die Spitze eines gewaltigen Eisberges der pakistanischen Wettmafia zu sein.
Investigative Reporter des britischen Boulevardblatts News of the World haben ein Video ins Internet gestellt, das zeigt, wie der Spieleragent Mazhar Majeed dem verdeckt auftretenden Reporter Tipps für arrangierte Spielzüge verkauft. „Diese drei No-Balls werden definitiv passieren, dafür wird gesorgt“, sagt der 25-jährige Majeed und verrät dem Mann, den er für einen Kunden hält, wann und durch welche Spieler die No-Balls ausgeführt werden. Er weiß es genau und versichert: „Kein Risiko.“ Vor versteckter Kamera nimmt er im Anschluss 150.000 Pfund in bar entgegen. Am nächsten Tag geschieht alles wie angekündigt: Erst übertritt Amir beim Wurf, danach auch sein Teamkollege Asif um etwa einen halben Meter. Die Füße der beiden Profis landen so deutlich hinter der Linie, dass sich auch der Kommentator über die sonst so geübten Werfer wundert.
150.000 Pfund sind viel Geld, aber im Vergleich zu dem, was in den indischen und pakistanischen Wettbüros ausgetauscht wird, sind es Peanuts. So ist es im Kricket längst üblich, nicht mehr ausschließlich auf Match-Resultate zu wetten. Die komplizierten Regeln bieten viel mehr Möglichkeiten, auch auf die kleinsten Aktionen wie einzelne Würfe oder Schläge Geld zu setzen. Mehrere hundert Millionen Euro wechseln illegalerweise angeblich jede Woche in Wettbüros den Besitzer – ein fruchtbarer Nährboden für Manipulation und Korruption.
Auch die Struktur innerhalb der Teams, in denen die Mannschaftskapitäne großen Einfluss haben, sind äußerst anfällig für Spielbeeinflussung. Der Kricket-Sport ist möglicherweise in den größten Wettskandal aller Zeiten verwickelt.
Aufgrund der Manipulationsanfälligkeit des Sports hat der Internationale Kricket-Verband vor zehn Jahren die Antikorruptionsbehörde gegründet. Ihr ehemaliger Leiter, Lord Condon, hat erst im vergangenen Juli betont: „Es wird nie gelingen, Betrug im Kricket völlig auszumerzen.“
Begünstigt werden die Absprachen auch noch dadurch, dass pakistanische Kricketspieler oft nicht von ihrem Sport leben können. Dem Land fehlen finanzstarke Unternehmen, die den Sport entsprechend sponsern können. Die Klubs können deshalb ihren Spielern kein großes Gehalt zahlen, sodass diese noch nebenher arbeiten – oder zumindest Geld verdienen – müssen. Eine bezahlte Abmachung auf eine Spielaktion kann da das Leben sehr erleichtern. Manche werden auch durch Erpressung unter Druck gesetzt. Die Mittelsmänner verkaufen den Tipp an zahlungsfreudige Interessierte weiter und verdienen sich eine goldene Nase daran.
Die pakistanische Kricket-Welt zeigt sich angesichts dieser schweren Vorwürfe erschüttert. Der Skandal verletzt den Stolz der Nation, nationale Tageszeitungen titeln trotz Flutkatastrophe mit dem Kricket-Skandal. Der pakistanische Präsident Asif Ali Zardari fordert lückenlose Aufklärung, Sportminister Ijaz Hussain Jakhrani kündigt für alle Beteiligten ein Ende ihrer Nationalspielerkarriere an.
Salman Butt, Mohammad Amir und Mohammad Asif beteuern ihre Unschuld und sagen, sie seien reingelegt worden. Vorerst werden sie kein Spiel mehr bestreiten, das haben die Sportchefs des Kricketverbandes in Übereinstimmung mit dem Sportminister entschieden, Letzterer fordert außerdem ein lebenslanges Spielverbot, sollten sich die Vorwürfe bestätigen.
JULIANE BENDER
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