: Warum die Heuschrecken grün sind
Matthias Berninger, wirtschaftspolitischer Sprecher der grünen Bundestagsfraktion, erntet Widerspruch der Basis für sein Lob weltweit tätiger Finanzinvestoren – oder wie ist das im grünen Freiburg im Breisgau?
BERLIN taz ■ Die Provokation saß. Matthias Berninger, wirtschaftspolitischer Sprecher der grünen Bundestagsfraktion, sprach beim Zukunftskongress seiner Partei über die weltweit tätigen Finanzinvestoren. Der Verfechter einer Annäherung an die rechtsliberale Mitte bilanzierte das „Heuschrecken“-Thema so: „Heuschrecken sind grün.“ Sollte heißen: Die Tätigkeit der Investmentfirmen ist weder zu verhindern noch grundsätzlich abzulehnen, man muss versuchen, sie per Gesetz zu regulieren.
Um diese These zu stärken, hatte Berninger sich zwei VertreterInnen einer speziellen Sorte von Investmentfirma eingeladen. „Wir sind ein typisch deutsches Unternehmen“, erklärte Jantje Salander von der Hannover Finanz Gruppe. Natürlich verfolge auch ihre Firma ein Profitinteresse, investiere aber langfristig. Sie stelle deshalb keine Gefahr, sondern eher eine Chance dar für die aufgekauften Unternehmen. Von den milliardenschweren angelsächsischen Investmentfonds und ihrer umstrittenen Tätigkeit – samt Jobvernichtung, Filetierung und teurer Verkauf der Teile – grenzte Salander sich ab.
So wäre vieles im Ungefährlichen geblieben, wenn nicht das Publikum einen kritischen Punkt in den Mittelpunkt gerückt hätte. In der Öko-Hauptstadt Deutschlands, Freiburg im Breisgau, plant der grüne Oberbürgermeister Dieter Salomon, 9.000 städtische Wohnungen zu veräußern – womöglich an einen Finanzinvestor, vielleicht mit Zustimmung der CDU der Stadt.
„Mietwohnungen sind mehr als ein Wirtschaftsgut, sie sind ein Sozialgut“, kommentierte während des Workshops ein Aktivist aus dem grünen Stammland Baden-Württemberg. Um das soziale Auseinanderbrechen einer Stadt wie Freiburg zu verhindern, sei es notwendig, ärmeren Bevölkerungsschichten billigen Wohnraum anzubieten. Dies aber liege gerade nicht im Interesse von Finanzinvestoren, die auf schnellen Profit aus seien und demzufolge die Mietobergrenzen ausreizen würden. Wer einen kompletten öffentlichen Wohnungsbestand aus der Hand gebe, verliere die Möglichkeit, Stadtentwicklung zu betreiben, ergänzte eine andere grüne Kommunalpolitikerin.
So standen sich, als es um die Konkretisierung allgemeiner politischer Statements ging, zwei Positionen gegenüber. Einerseits das „Ja, aber“ zu Investmentfirmen, das der wirtschaftspolitische Sprecher vertritt, andererseits das „Nein, aber“ der Basis. Diese lehnt den Verkauf öffentlicher Wohnungen zwar nicht grundsätzlich ab, will aber möglichst hohe Hürden aufrichten.
Auf der praktischen Ebene könnte der für die Grünen schwierige Konflikt freilich erst einmal friedlich gelöst werden. In Freiburg zeichnet sich ab, dass die halbstaatliche Landesentwicklungsgesellschaft die Wohnungen übernimmt. Dann blieben die Heuschrecken ausgesperrt und Oberbürgermeister Salomon würde trotzdem das Geld einnehmen, das er zur Sanierung des verschuldeten Haushalts so dringend braucht. Hannes Koch
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